The Sweet Escape

"Aber deine Eltern.. sie sind doch nicht da", rief ich ihr hoffnungslos zu.

Ich drehte mich um. "Vielleicht ist Kathi da, eine andere Freundin von mir.", erwiderte ich.

"Und.. wenn nicht? Du kannst auch wiederkommen", meinte ich zaghaft, beließ es dann jedoch dabei und seufzte erneut.

"Chester, bist du dir wirklich sicher, dass das so eine gute Idee ist?", fragte ich und schaute ihn an.

"Ich.. ich weiß es selbst nicht mehr", gab ich zu und blickte auf den Fußboden.

"Deshalb..." Ich seufzte leise. "Deshalb ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe. Tut mir Leid, dass ich dir deine Zeit gestohlen habe. Na ja, vielleicht sieht man sich ja irgendwann wieder." Gesenkten Hauptes verließ ich sein Haus. Draußen regnete es in Strömen, doch dies war mir egal.

Ich hatte ein wahrlich schlechtes Gewissen, aber ich wusste eben nicht, was zu tun war.
Immerhin war ich drauf und dran mich in ein Mädchen zu verlieben, obwohl ich Frau und Kind hatte.
Aber ich wollte sie eben nicht einfach gehen lassen. Ich würde sie am nächsten Tag anrufen.
Wohl oder übel..

Nachdem ich eine Weile ziellos umhergeirrt war, fand ich mich schließlich vor Kathis Haus wieder. Als hätte sie auf mich gewartet, öffnete sie die Türe, noch bevor ich klingeln konnte. "Hey, alles in Ordnung?", fragte sie. Ehrlich zuckte ich mit den Schultern. "Ich bin mir nicht sicher...", seufzte ich.

Plötzlich hörte ich ein vertrautes Geräusch an der Haustür, was mich erschrak, obwohl ich es doch so gut wie jeden Tag hörte - der Hausschlüssel.
Talinda war gekommen.
Mit gemischten Geüfhlen in der Magengrube erhob ich mich und ging zur Tür, um meine Frau zu begrüßen.
Sie sah gestresst aus, also nahm ich ihr unseren Sohn ab.

Kathi schien ziemlich überrascht von meiner merkwürdigen Laune zu sein. Eigentlich redete ich nur sehr selten, doch nachdem sie mich hereingebeten hatte, erzählte ich ihr alles, was geschehen war. Sie hörte geduldig zu, lächelte ab und zu abwesend und schaute anschließend wieder ernster drein. Schließlich, als ich bei der Sache mit dem Kuss angelangt war, kicherte sie leise. "Rike, Rike, Rike...", meinte sie und stubste mich an. "Du bist mir echt eine. Nun, anhand Chesters Reaktion würde ich sagen, dass er wohl etwas überfordert war." Ich ließ den Kopf hängen. "Ja, schon, nur... Ich weiß nicht, Kathi. Erst hat es so ausgesehen, als würde er den Kuss genießen. Und dann... Na ja, dann war er so anders. Als hätte er eingesehen, dass es vielleicht doch nicht so richtig war, mitzumachen." Kathi nickte und musterte mich nachdenklich. "Hm... Weißt du was, schlaf' erst mal eine Nacht darüber. Vielleicht sieht morgen alles ganz anders aus. Und ich such' inzwischen mal im Internet nach Chesters Vergangenheit, vielleicht hat die damalige Vergewaltigung etwas mit seiner Reaktion zu tun gehabt. Oder da steckt noch etwas anderes hinter..." Ich nickte. "Danke.", murmelte ich, ehe ich mich ins Gästezimmer verzog.

Talinda drückte mir einen hektischen Kuss auf die Lippen, verschwand dann aber auch wieder im Bad.
"Sorry, Schatz, ich bin total im Stress. Ich muss gleich sofort schlafen gehen", rief sie mir zu und ich nickte geistesabwesend.
°Rike, komm wieder°, ging es mir die ganze Zeit durch den Kopf, und egal, was ich tat, es ging nicht weg.
Schlussendlich ging ich doch ins Bett, um wenigstens etwas Ruhe zu finden.

Am nächsten Morgen wachte ich ziemlich früh auf. Kathi hatte mir ein paar ihrer Klamotten geliehen. Obwohl sie mir ein wenig zu groß waren, zog ich sie dennoch an. Kathi selbst schlief noch. Ich hinterließ ihr einen Zettel, dass ich schleunigst nach Hause musste und machte mich zurück auf dem Weg zu dem großen Anwesen meiner Eltern.

Morgens als ich aufwachte, war Talinda wieder bei der Arbeit.
°Nie ist sie Zuhause°, dachte ich mir und hatte sofort schlechte Laune.
Doch da kam mir Rike in den Sinn.
°Soll ich sie anrufen? Soll ich.. oder nicht?°

Meine Eltern waren bereits da. Natürlich löcherten sie mich mit Fragen, wo ich denn gewesen sei. Ich erklärte ihnen, dass ich bei Kathi übernachtet hatte, Chester jedoch erwähnte ich nicht. Schließlich ließen sie mich in Ruhe und ich ging auf mein Zimmer. °Ich sollte ihn vergessen. Wahrscheinlich will er mich nicht mehr sehen, nachdem ich ihn geküsst habe. Außerdem belaste ich ihn doch mit meinen ganzen Problemen...°

Irgendwie fühlte ich mich mit Rike verbunden. Sie hatte doch das gleiche erlebt.
Ich machte mich schnell fertig und beschloss dann, sie anzurufen.

Eine Weile lag ich gelangweilt auf meinem Bett herum, als plötzlich mein Handy klingelte. Ich vermutete Finn oder Kathi, doch als ich auf das Display sah, erschrak ich. Chester rief mich tatsächlich an! Ich überlegte, ob ich wirklich rangehen sollte, drückte aber schließlich auf den grünen Hörer. "Ja?"

"Hey.. Ich bin's", meldete ich mich mit dünner Stimme.
Was sollte ich nur sagen?
"Wir.. müssen reden.."

"Ähm... Okay." Unsicher nagte ich mir an der Unterlippe. Chester klang wie gestern Abend. So unsicher, unentschlossen.

"Also.. ich.. naja, können wir uns nicht lieber treffen?", fragte ich dann, doch war total verunsichert.

"Wenn... wenn du möchtest.", stotterte ich, obwohl ich mich eigentlich nicht mit ihm treffen wollte. Ich hatte Angst, dass er den Kontakt abbrechen würde und ich ihn dadurch verlor. "Wo und wann?"

"Sofort. Im.. Park? Dort können wir uns hinsetzen und in Ruhe reden, denn.. ich.. muss dir etwas beichten", sagte ich leise, und lief dabei unruhig hin und her.

"Ähm... Okay. Dann bis gleich." Ich legte auf. Er wollte mir etwas beichten? °Hoffentlich ist es nicht allz schlimm...°, dachte ich. Ich spürte, wie sich ein Kribbeln in meinem Bauch breit machte. Ich war aufgeregt. Schnell zog ich mich um, schminkte mich noch etwas und ging schließlich aus dem Haus.

Schnell war ich im Parka ngekommen, da sah ich auch schon Rike.
"Hey", begrüßte ich sie zurückhaltend und lächelte schwach.
Mit der Hand deutete ich auf eine Bank und wartete bis sie sich hingesetzt hatte, und tat es dann auch.

"Hi...", sagte ich schüchtern und sah zu Boden.
"Und... Über was wolltest du mit mir reden?", fragte ich leise, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten.

"Also..", begann ich. "Ich.. also der Kuss.. der hat mir gefallen. Ich glaube, ich habe gewisse Gefühle für dich entwickelt, und.. darüber wollte ich mit dir reden. Nämlich.."
Ich atmete tief durch.
"..Ich bin verheiratet. Und ich habe ein Kind."
Schuldbewusst schaute ich ihr in die Augen, jedoch wusste ich nicht, ob ich ihrem Blick, was auch immer er zeigte, standhalten konnte.