Angel of Sin

Ich hatte es mir bereits auf meinem Bett bequem gemacht, als Tracey plötzlich eintrat.
"Ey, hey, was ist?", fragte ich sofort und erhob mich in eine angespannte Sitzhaltung.

"Na ja...", begann ich und sah ein wenig schüchtern zu Boden. "Jake und Lee wollen sich ein Zimmer teilen, was wohl heißt, dass wir jetzt in einem Zimmer schlafen müssen.", erklärte ich.

"Diese hinterhältigen..", begann ich plötzlich ziemlich aufgebracht, doch ich ließ es sein.
"Von mir aus, kann dich ja schlecht im Flur schlafen lassen. Oder soll ich? Ach Quatsch..", sagte ich, und zuckte dann mit den Schultern.
"Ok. Willkommen in unserem Zimmer.."

Ich hob eine Augenbraue und sah ihn ein wenig verwirrt an. Was hatte der denn auf einmal? Mit dem Fuß stieß ich die Türe zu, sodass Jake und Lee nicht gleich mitbekamen, dass wir uns ziemlich anfeindeten. "Sag' mal, kann es sein, dass du irgendein Problem mit mir hast?", fragte ich. "Hör mal zu, ich hab' dir nichts getan, also zick' mich nicht so an, okay?!"

"Lass' mich doch in Ruhe, wer ist hier die Zicke?", fauchte ich wütend.
"Ich will kein Mädchen in der Band, schon gar nicht als Frontsängerin!", schrie ich.

"Ach ja, und wieso nicht?", erwiderte ich. Auch meine Stimme erhob sich langsam. "Was ist eigentlich dein Problem mit mir, huh? Nur weil ich ein Mädchen bin heißt das noch lange nicht, dass ich nicht in die Band passe!" Meine Wut stieg. "Jake hat mir erzählt, dass du auf Mädchen und Jungs stehst, auf letzteres sogar ein wenig mehr. Ist es das, was dich stört? Dass ich kein heißer Kerl bin, den du abschleppen kannst? Wenn ja, tut mir das ziemlich Leid, aber zufälligerweise gibt's da draußen noch tausend andere Typen, als irgendein Sänger!"

"Du hast doch 'nen Knall", knurrte ich und drehte ihr den Rücken zu.
"Ich wollte das nicht, aber das itneressiert ja wieder keinen."

"Tze." Ich schüttelte den Kopf. "Ich glaube eher du bist es, der einen Knall hat. Weißt du was? Du kannst mich mal! Du hast doch echt keine Ahnung." Wütend verließ ich das Zimmer und das Bungalow.

"Verdammte Weiber!", fluchte ich verärgert und legte mich stur auf mein Bett.
Ich schaltete meinen Mp3-Player an und schloss die Augen.

Ich stampfte davon in Richtung Klippen. Auch, wenn es eigentlich sehr gefährlich war, näher heran zu gehen, so setzte ich mich genau an den Rand der Klippen und starrte auf das offene Meer. Was bildete sich dieser Blödmann nur ein?! Ich seufzte und versuchte meine Tränen zu unterdrücken, doch nach einiger Zeit liefen sie mir unaufhörlich über die Wangen. Nein, ich konnte nicht leugnen, dass ich trotz meiner Wut auf Seth ihn irgendwie mochte.

Nach einigen Minuten des Nachdenkens, schaltete ich seufzend die Musik aus, und verließ das Bungalow.
Ich wollte allein sein. Ganz allein.
Also lief ich ziellos umher, bis ich einige Klippen sah.
Ein wenig ermüdet setzte ich mich, und dann sah ich plötzlich Tracey.
°Was macht die denn hier!°, dachte ich.

Ich versuchte mich zu beruhigen, doch irgendwie war mir plötzlich alles zu viel. Mein Vater weg, meine Schwester war erst vor ein paar Monaten verstorben und jetzt wurde ich auch noch von dem Jungen gehasst, den ich eigentlich ganz niedlich fand.

Ich beobachtete sie eine ganze Weile, bis ich eine kleine Träne auf ihrer Wange schimmern sah.
Zögernd ging ich auf sie zu, setzte mich vorsichtig neben sie.
"Hey, das eben.. das- das tut mir Leid.."

Ein wenig erschrocken zuckte ich zusammen. Ich sah Seth nicht an, sondern schaute auf meine Hände. "I-ist egal...", sagte ich leise, obwohl dies nicht stimmte.

"Sag' es", drängte ich, schaute dann aber die Klippen hinab.

Ich schluckte die aufkommenden Tränen herunter. "Dir ist doch eh egal, was mit mir los ist. Du kannst mich nicht leiden, du hasst mich vielleicht sogar, also sollten meine Sorgen dir doch egal sein.", schluchzte ich.

"Ich.. hasse dich.. doch gar nicht.. ich habe.. überreagiert", murmelte ich mit einem höchst schlechten Gewissen.

Ich schüttelte leicht den Kopf. "Red' dir nichts ein, ich weiß, dass du mich nicht abkannst... Auch... Auch wenn das sehr weh tut, aber ich denke, ich muss das wohl oder übel hinnehmen."

"Scheiße.. es tut mir jetzt echt Leid!", entschuldigte ich mich hastig.
"Ich war halt nur verärgert.. weil ich.. kein Mädchen dabei haben wollte.."

Zum ersten Mal seit langem sah ich auf und blickte ihn direkt an. Noch immer schimmerten Tränen in meinen Augen. "Und wieso?", fragte ich leise.

"Ich.. wir.. wir hatten das so geplant, also dass wir eine reine Band aus Jungs werden, und dann plötzlich waren alle, außer ich, anderer Meinung, das hat mich einfach genervt", erklärte ich schuldbewusst.

Ich seuzfte leise. "Meinst du nicht, dass man manchmal Kompromisse eingehen muss?", fragte ich und sah ihn an. "Immerhin... Eine so schlechte Sängerin bin ich nicht." Dann blickte ich auf's Meer. "Jedenfalls... Es tut mir Leid, falls ich deine Bandpläne durcheinander gebracht habe. Wenn du mich wirklich nicht in der Band haben willst, werd' ich gehen."

"Nein", widersprach ich, war aber selbst nur zur Hälfte überzeugt davon, dass es mit ihr klappen könnte.
"Ich habe nachgedacht. Wir.. können es miteinander versuchen. In dieser Woche", beschloss ich dann schweren Herzens und musterte Tracey aufmerksam, um jede Reaktion wahrzunehmen.

Eine Weile saß ich einfach nur stumm da, dann lächelte ich leicht. "Das freut mich sehr.", erwiderte ich, sichtlich erleichtert. "Danke."

"K-kein problem", antwortete ich und war noch immer unsicher.