Around the world.

"Scheiße!", fluchte ich, und versuchte zaghaft, nach ihr zu suchen.
"Rike?", rief ich, und rang mich dazu durch, ihren Arm zu greifen, und sie mit mir zu ziehen.

Als ich wieder an der Wasseroberfläche war, schnappte ich sofort nach Luft. Ich dachte gar nicht mehr daran, dass Chester vorher so abweisend auf meine Berührung reagierte, klammerte ich mich panisch an ihn fest.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
Weniger vom Wasser, als von der Berührung.

Irgendwie schafften wir es, wieder über die Reling zu klettern. Trotzdem hielt ich mich noch immer an Chester fest, erstarrt vor Angst. Ich wusste, dass ich dem Tod knapp entkommen war, aber das war nicht das Einzige, was meine Gedanken so aufwirbelte. Ich dachte an meinen Vater. Ihm war das gleiche geschehen. Er war ebenfalls bei solch einem Wetter segeln gegangen, mit mir zusammen, war ins Wasser gefallen und wurde seitdem nie wieder gesehen.
Tränen liefen mir über die Wangen. Ich war gar nicht mehr wirklich bei Bewusstsein, nahm meine Umgebung nicht mehr. "Er ist weg...", murmelte ich. "Er ist weg..."

"Was- was ist los", keuchte ich, nachdem ich mich von ihrem griff befreit hatte.

Ich nahm Chester gar nicht wahr. Schluchzend zog ich meine Knie an meinen Körper und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. "Warum? Warum hat er mich einfach so allein gelassen?", wimmerte ich.

Ich hatte nicht viel Nerven, mir Sorgen anderer anzuhören.
Überhaupt hatte ich nicht genug Nerven, um mit anderen Leuten Probleme zu besprechen.
Ich rutschte nur seufzend zu Boden.

Nach einer Weile sah ich auf. Um uns herum stürmte es noch immer. Ich sah zu Chester herüber. "Komm'...", sagte ich und stand auf. "Hier oben ist es zu gefährlich."

"J-ja", meinte ich, und schlurfte ihr hinterher unter Deck.
Diese Situation war wirklich schwer für mich.

Vor Kälte zitternd verkroch ich mich unter meiner Bettdecke. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte. Nach einiger Zeit sah ich zu Chester herüber. "Warum?", fragte ich ihn leise. "Warum hast du mich vorhin weggestoßen, als ich dir die Hand auf die Schulter gelagt habe? Warum hast du gezögert, als ich ins Wasser gefallen bin? Und warum hast du dich so schnell von mir befreit, als ich mich an dir festgehalten habe?" Abwartend sah ich ihn an. "Ich weiß, dass es nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist, diese Fragen zu stellen, aber mit dir stimmt doch irgendwas nicht, Chester. Rick hat mir erzählt, dass du zu jedem so bist. Was ist bloß los?"

Ich schluckte schwer. °Sie will es wirklich erfahren°, dachte ich ängstlich.
"Ich.. will nicht."

"Du musst mir nichts erklären.", sagte ich und musterte ihn kurz. "Wenn du wirklich nicht darüber reden willst, dann müssen wir das nicht tun. Aber ich kann einfach nicht verstehen, warum du so zu mir bist." Ich seufzte. "Ich will dir doch nur helfen..."

"ich.. ich will keine Hilfe!", sagte ich laut und abwehrend.
"Hör auf, verdammt! Ich komme nicht mal selbst damit klar!"

Erschrocken zuckte ich zusammen. Was hatte er nur?
"Und weil du nicht alleine damit klar kommst, will ich versuchen dir dabei zu helfen."
Ich überging die Tatsache, dass er wohl ziemlich Angst vor Körperkontakt hatte, stand auf, setzte mich zu ihm und nahm ihn in den Arm. Ich spürte, dass er sich von mir lösen wollte, doch ich hielt ihn weiterhin fest. "Bitte, Chester, du musst mir vertrauen... Ich will dir nicht wehtun, ich will einfach nur wissen, was mit dir los ist." Erneut liefen mir ein paar Tränen über die Wangen, weil mich sein Verhalten sehr verletzte. "Bitte...", schluchzte ich.

"Hör'- hör' bitte auf", bat ich sie hektisch und wand mich in ihrem Griff.
"Geh weg!"

"Chester!" Meine Stimme überschlug sich fast. "Bitte, ich will dir wirklich nur helfen." Ich ließ ihn los, blieb dennoch neben ihm sitzen. Ich versuchte meine Tränen wegzuwischen, doch es kamen immer mehr hinzu, weil ich ahnte, was mit ihm geschehen war. "Ist es das, was ich denke?", sagte ich leise. "Hat dir jemand irgendetwas angetan?"

"..Ja!", schrie ich, und ließ so angestaute Wut heraus.
Verstört blickte ich zu Boden, bis ich mein Gesicht in meinen Händen vergrub.

Meine Augen weiteten sich. Ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann. Ich hatte also Recht gehabt. Erneut begann ich zu schluchzen. "Chester... Das... das tut mir so Leid."

"Das muss es nicht", sagte ich mit zitternder Stimme.
"Nein.."

Ich versuchte meine Fassung nicht zu verlieren, doch ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Sein Schicksal ging mir außergewöhnlich nahe. "Bitte, sag' mir was ich für dich tun kann! Ich will dir unbedingt helfen..."

"Es.. gibt nichts mehr zu tun. Ich habe meine Freunde, und.. und den Rest.. kann ich einfach nicht mehr akzeptieren, ich habe jedoch nicht geahnt, dass die Bootsfahrt solch ein Problem für mcih wird.. Es.. es tut mir Leid", sagte ich mit heiserer und hauchdünner Stimme.

Ich schüttelte leicht den Kopf. "Das... das muss es nicht. Du bist an gar nichts schuld, hörst du? Ich... Ich hätte dich nicht berühren sollen."

Ich schrüzte die Lippen.
"Das konntest du nicht wissen", sagte ich nur und unterdrückte ein Schluchzen.

"Trotzdem...", erwiderte ich leise. "Ich hätte auf Ricks Worte hören sollen. Er hat mir gesagt, dass du die Berührungen von Fremden nicht abkannst. Verdammt, hätte ich das nur eher geahnt." Ich fuhr mir durch die Haare und seufzte leise. "Wir sind schon ein paar Meilen von der Küste entfernt, aber wenn du willst, können wir zurück. Ich will dich nicht hier gegen deinen Willen festhalten."

"Nein.. nein, lass nur. Eigentlich.. gefällt es mir hier. Ich fühle mich frei, normalerweise geht es mir hier auf dem Meer immer besser, als unter diesen ganzen Menschenmassen", murmelte ich.