Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Nachdem wir das freie Feld schweigend überquert hatten und einem langen Pfad entlang gegangen waren, stand die Sonne bereits ziemlich tief. Die Bäume um uns herum warfen lange Schatten, während der Himmel in einem wunderschönen Purpur mit ein paar roten, orangenen und gelben Farbklecksen erstrahlte. Obwohl ich eigentlich hätte müde sein müssen, war ich noch immer ziemlich fit. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf meine Lippen gelegt, denn immerhin hatte Nero mir versprochen, dass er mir wegen meiner neuen Fähigkeit helfen würde. Trotzdem entging mir nicht, dass er mich ab und zu ansah. Zuerst versuchte ich seine Blicke zu ignorieren und einfach weiterzugehen, doch schließlich wurde ich unter seinen blauen Augen immer nervöser. Warum starrte er mich nur die ganze Zeit an? Hatte ich irgendetwas im Gesicht? Innerlich ärgerte ich mich ein wenig darüber, dass ich so sehr darüber nachdachte und mir sogar einmal der Gedanke kam, dass er mich interessant fand – auf einer Ebene, auf der ich selbst noch nie allzu viel Erfahrung hatte: In der Liebe. Ich hatte mich noch nie sonderlich darum gekümmert jemanden zu finden, mit dem ich mein restliches Leben verbringen würde, oder zumindest ein paar Wochen und Monate, während Katie und die meisten Mädchen aus meiner Klasse sich teilweise um die Jungs stritten. Ich dagegen hielt mich ziemlich zurück. Natürlich hatte ich des Öfteren den einen oder anderen Kerl gesehen der mir gefiel, jedoch schwärmte ich lieber im Stillen vor mich her und schrie es nicht so in die Welt heraus wie manch andere. Ich war ein Mensch, der auch gut alleine klar kam und ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich als einsame, alte Frau sterben würde, ohne jemals verheiratet gewesen zu sein. Aber das war mir sogar sehr recht. Ich linste heimlich zu Nero herüber, welcher inzwischen wieder geradeaus blickte und still weiterging. Ich musste daran denken, wie ich damals die Statue von ihm nahezu angeschmachtet hatte. Ich konnte nicht leugnen, dass er wirklich ziemlich gut aussah, ganz im Gegensatz zu mir. Meiner Meinung nach war ich ein ziemlich langweiliger Typ Mensch. Meine mittellangen, braunen Haare hatten absolut nichts Besonderes an sich, genau wie meine blaugrünen Augen. Ich war zwar relativ schlank, allerdings war ich trotzdem nicht wirklich mit meiner Figur zufrieden. Mein Kleidungsstil war einfach und eher praktisch als schick, sodass ich nicht wirklich in der Menge auffiel. Damit war ich jedoch sehr zufrieden. Ich stand nicht gerne im Mittelpunkt und mein unauffälliges Auftreten trug dazu bei, dass ich nicht gesehen wurde. Demnach überraschte es ziemlich, dass Nero mich so merkwürdig musterte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so ein Kerl, der wahrscheinlich jede haben könnte, an mir interessiert war. Wahrscheinlich machte ich mir einfach nur falsche Hoffnung oder deutete seine Blicke falsch. Ich räusperte mich. „Sag‘ mal…“, begann ich, „Wie alt bist du eigentlich?“ Eigentlich interessierte mich sein Alter nicht allzu sehr, jedoch wollte ich ein Gespräch aufbauen, denn die Stille wurde mir langsam ziemlich unangenehm. „18.“, erwiderte er, ohne mich dabei anzusehen. „Und du?“ Erst wollte ich lügen, entschied mich dann jedoch für die Wahrheit. Ich wollte ihm nichts vormachen, auch wenn ich mich im Dorf von ihm verabschieden musste. „16.“, murmelte ich und lächelte dann leicht. „In zwei Monaten werde ich allerdings 17.“ Nero nickte und sah mich erneut an. Himmel, waren seine Augen vorhin schon so glänzend und wunderschön gewesen? Ich schluckte. „Ach so.“, antwortete er und als ich schon glaubte, dass der Versuch, ein Gespräch zwischen uns aufzubauen, gescheitert war, redete er weiter. „Ich werde bald 19. Nun, wobei das Alter jetzt nicht mehr wirklich zählt.“ Ich hob eine Augenbraue und sah ihn fragend an. „Die Dämonen sind sehr stark. Und obwohl man mich nicht einfach töten kann, so kann ich mich trotzdem nicht einfach darauf verlassen. Vielleicht wird irgendwann mal der Punkt kommen, dass ich um mein Leben bangen muss.“ Ich nickte leicht. „Verstehe… Wenn man so in Gefahr lebt, zählt wohl die Zeit nicht wirklich viel?“, fragte ich. Nero schmunzelte. „Ja.“, bestätigte er meine Vermutung. „Na ja…“, meinte ich, „In meiner Welt ist das etwas anderes. Unser Alter bestimmt unser Leben. Es ist sozusagen genau strukturiert.“ Ich seufzte bei diesem Gedanken, denn schließlich war bald die Zeit gekommen, in der auch ich flügge wurde. Ich stand kurz davor die Schule zu verlassen, hatte schon einen Ausbildungsplatz und war demnach beinahe erwachsen. „Bei uns ist das eigentlich nicht anders.“, riss mich der Silberhaarige aus meinen Gedanken. „Aber ich schätze, dass bei uns alles ein wenig freier ist als bei dir, kann das sein?“ Ich überlegte kurz, denn ich kannte seine Welt ja noch nicht genau, nickte aber schließlich. „Ich schätze schon.“, gab ich schließlich zu. „Aber dennoch, ich glaube zu viel Freiheit würde mir nicht gut tun.“ Nero nickte. „Manchmal fühlt man sich trotz der Freiheit ziemlich eingeengt. Oh, wir sind da.“ Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der Pfad breiter geworden und schließlich zu einer Straße geworden war. Rechts und links standen ein paar Häuser, die der aus meiner Straße ziemlich ähnlich sahen. Einige Leute tummelten sich auf den Bürgersteigen und auf dem Teerboden fuhren tatsächlich Autos. Zwar trugen die Passanten ziemlich merkwürdige Klamotten, schienen jedoch so wie ich zu sein – vollkommen normal. Nero ging voraus. Ich folgte ihm und sah mich neugierig um. Eigentlich war es hier ziemlich schön, jedoch war ich mir nicht wirklich sicher ob ich hier leben könnte. Vor allem die Tatsache, dass Nero bald nicht mehr bei mir sein würde, machte mir ziemlich zu schaffen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich ohne ihn durchzuschlagen. Immerhin kannte ich mich hier gar nicht aus und war so völlig auf mich allein gestellt. Ich seufzte leise, ein Geräusch, das Nero nicht entging. Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen, da ich mittlerweile zu Boden sah. „Keine Sorge.“, meinte er, als könnte er meine Gedanken lesen, „Du wirst sicherlich bald nach Hause kommen. Solange quartieren wir dich erst mal in einem Hotelzimmer unter.“ Ich nickte leicht, doch seine Worte konnten mich einfach nicht aufheitern. Niedergeschlagen trottete ich hinter ihm her, bis er schließlich vor einem größeren Gebäude, das sich mit seinem großen, bunten Holzschild über der Türe von den anderen Häusern abhob, stehen blieb. „Da wären wir.“, sagte Nero. Ich blickte auf und nickte nur kurz. Nero hielt mir die Türe offen und ließ mich als erstes in die kleine Eingangshalle gehen. Ich traute mich kaum aufzusehen, als eine junge Frau uns heranwinkte. Sie stand hinter einer Theke. „Hallo Nero, du hast eine Begleiterin?“, fragte sie, als wir vor der Theke standen. Ich ließ meinen Blick schweifen. Die Wände und der Boden waren aus Holz, ein einfaches Fenster ließ das fahle Sonnenlicht herein. Eine Deckenlampe erhellte den Raum zumindest etwas besser. „Hallo Layla. Ich hab‘ sie erst vor ein paar Stunden aufgegriffen. Sie wurde von ein paar Scarecrow angegriffen. Nun, sie stammt anscheinend aus einer anderen Welt als unsere und weiß nicht wie sie wieder nach Hause kommt. Kannst du sie ein paar Wochen im Hotel wohnen lassen?“, hörte ich Nero erklären. Layla schien zu überlegen. „Hm… Momentan ist hier nicht viel los. Gut, ich bin einverstanden.“, antwortete sie schließlich. Langsam blickte ich auf und lächelte zögerlich. Layla hatte hellblonde Haare, die ihr bis zum Kinn gingen. Ihre grünen, leuchtenden Augen schienen freundlich und warmherzig. Sie war mir sofort sympathisch. „Danke.“, sagte ich. Layla schmunzelte und nickte. „Keine Ursache. Nun, ich zeige dir dann einmal dein Zimmer.“ Ohne weiter auf Nero zu achten folgte ich ihr. Sie führte mich eine knarrende Treppe hoch, einen schmalen Gang entlang und blieb schließlich vor einer kleinen Türe stehen. „Es ist zwar nicht sonderlich groß, aber für ein paar Tage hoffentlich bewohnbar.“, warnte Layla mich vor. Ich schmunzelte. „Das ist nicht schlimm.“, antwortete ich. Die Blondhaarige nickte zufrieden, drückte mir einen Schlüssel in die Hand und verschwand die Treppe herunter. Zögerlich schloss ich die Türe auf und trat ein. Zwar war recht kühl im Raum und das Zimmer war wirklich winzig, doch es gefiel mir. Es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zimmer im Schloss. In der einen Ecke stand ein kleines, aber bequem aussehendes Bett, in der anderen Ecke ein großer Kleiderschrank. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ja gar keine anderen Klamotten dabei und meine Jacke hatte ich vor dem Abendessen ausgezogen. Darum lief ich nur noch in einer relativ kurzen Sommerhose und einem T-Shirt herum. Allem Anschein nach war es Sommer in diesem Teil der Welt, jedoch gefiel mir der Gedanke nicht, so „leicht“ bekleidet herumzulaufen. Ich seufzte leise und setzte mich auf mein Bett. „Hoffentlich komme ich bald nach Hause…“, murmelte ich und lehnte mich an die weiß angestrichene Wand. Für eine Zeit lang hing ich meinen Gedanken an das Schloss und an mein früheres Leben nach, dann fiel mir plötzlich ein, dass Nero unten auf mich wartete. Schnell sprang ich auf, schloss die Türe hinter mir zu und lief die Treppe herunter. Doch Nero stand nicht mehr im Raum. Layla sah auf, als ich eilig zur Theke stürzte. „Layla, weißt du wo Nero hingegangen ist?“, fragte ich außer Atem. Die Grünäugige blickte auf und überlegte kurz. „Ich glaube, er ist schon weitergezogen. Er wollte nach Fortuna.“, informierte sie mich. Für einen Moment setzte mein Herzschlag aus. „Er… er ist weg?“, keuchte ich ungläubig. Die Blondhaarige nickte. „Verdammt!“ Ich drehte mich um und rannte aus dem Hotel. Auf der Straße blickte ich mich um, rannte dann nach Norden und versuchte Nero zu finden. „Nero? Nero!“, rief ich. Mehrere Passanten drehten sich nach mir um und blickten mich verwirrt an, doch ich kümmerte mich nicht darum. Stattdessen lief ich weiter, dem Sonnenuntergang entgegen, aber ich konnte ihn einfach nicht finden. Irgendwann stolperte ich und fiel unsanft zu Boden. „Nero…“, wimmerte ich verzweifelt. Langsam bahnten sich die ersten Tränen über meine Wangen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er einfach gegangen war und mich alleine zurückgelassen hatte. Immerhin brauchte ich ihn doch. Er kannte sich hier aus und ohne ihn fühlte ich mich völlig verloren. Erst, als es bereits dunkel war, stand ich auf. Meine Knie brannten und als ich an mir herunter sah bemerkte ich, dass ich sie mir aufgescheuert hatte. Ich schluckte, strich mir die Tränen von den Wangen und kehrte zurück ins Hotel. Als ich in den Vorraum trat, wo Layla neue Gäste empfing, kam sie mir gleich entgegen und blickte mich bemitleidend an. „Tut mir Leid.“, sagte sie, „Aber Nero ist nun mal ziemlich sprunghaft.“ Ich nickte leicht und schlurfte niedergeschlagen die Treppe nach oben Als ich in mein stockdunkles Zimmer trat erschrak ich. Das Fenster stand sperrangelweit offen und auf meinem Bett saß eine Person, die ich nur schemenhaft erkennen konnte. „Wer… wer sind Sie?!“, zischte ich und lehnte mich ängstlich gegen die Türe. „Ich bin’s.“, erwiderte die Person, dessen Stimme ich sofort als die von Nero erkannte. „Nero? Ich dachte du…“ Der Silberhaarige unterbrach mich sofort. Trotz, dass ich ihn kaum erkennen konnte, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. „Nun…“ Er seufzte. „Eigentlich war ich auf dem Weg nach Fortuna, wie Layla dir vielleicht gesagt hat. Allerdings… Na ja, ich habe mir Sorgen um dich gemacht, weil mir klar war, dass du dich hier nicht auskennst und niemanden hast, mit dem du reden kannst. Also habe ich meine Pläne ein wenig geändert und bin wieder hierher zurückgekommen.“, erklärte er. Mir blieben die Worte förmlich im Halse stecken. Er war umgekehrt? Nur wegen mir? Ein Glücksgefühl durchströmte meinen Körper. „Wie meinst du das mit ‚Ich habe meine Pläne geändert‘?“, fragte ich und war mir eigentlich sicher, dass er mich wahrscheinlich nur ein paar Tage mit der neuen Stadt vertraut machen wollte. „Ich finde dich ziemlich interessant, Anna, nicht nur wegen deiner Fähigkeit. Ich möchte dich gerne unserem Ordensführer vorstellen, denn ich bin mir sicher, dass er dir helfen kann zurück nach Hause zu kommen. Er weiß vieles über unsere Welt und auch über die angeblich existierenden Parallelwelten. Er wird sich sicherlich freuen, mit jemandem sprechen zu können, der aus einer solchen Welt stammt. Bist du damit einverstanden?“ Meine Augen weiteten sich und ein breites Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Natürlich!“, antwortete ich glücklich. Ich spürte, dass Nero schmunzelte. „Gut, dann ist das also abgemacht. Ich werde einmal Layla fragen, ob sie uns vielleicht ein größeres Zimmer geben kann. Dann kann ich dich nämlich ein wenig über deine Welt ausfragen. Und außerdem…“, er gähnte leise, „Ich könnte auch ein wenig Schlaf gebrauchen.“
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Okii, bye. So, Kapitel 8 ist da! Und zum Ende hin wird's ein wenig fluffig.
Kapitel 8: Erinnerungen
Tatsächlich ließ Layla sich breitschlagen und gab uns – nach einer längeren Diskussion und einer Erklärung, die Nero ihr anscheinend schuldig war – den Schlüssel für das Zimmer, welches gegenüber von meinem lag. Grund der langen Verhandlung war die Tatsache, dass das Zimmer eigentlich für ein Pärchen gebucht worden war, welches am nächsten Morgen anreisen wollte. Zwar hatte Nero ihr versprochen, dass wir pünktlich draußen sein würden, dennoch schien Layla von dem Zimmerwechsel nicht sonderlich begeistert gewesen zu sein. Nun saßen wir in unserem neuen Raum auf den weichen Betten. Schweigend starrte ich die Wand an, bis Nero sich plötzlich räusperte. Ich drehte ihm meinen Kopf zu und sah ihn fragend an. „Du hast vorhin geweint.“, stellte er fest und musterte mich aufmerksam. Ich schluckte und sah zu Boden. Meine Wangen färbten sich rot. Hatte er es etwa irgendwie bemerkt. „Als ich zurückgekehrt bin, habe ich dich gesehen. Eigentlich wollte ich dir erst auf die Beine helfen, aber ich habe mich ehrlich gesagt nicht getraut. Ich wusste ja nicht, wie du reagieren würdest und ich hatte gedacht, dass du sauer auf mich wärst. Nun, aber… Ich frage mich, wieso du geweint hast. Was war los?“, fragte er. Ich schluckte. Gott, war das peinlich! „Nun…“ Ich seufzte leise und sah zu Boden. „Es ist so, ich… Ich weiß einfach nicht, wie ich mit der aktuellen Situation umgehen soll. Immerhin warst du die ganze Zeit bei mir, hast mir geholfen hier ein Zimmer im Hotel zu bekommen und darauf habe ich mich verlassen. Und dann warst du plötzlich weg… Ich wusste einfach nicht, was ich ohne dich machen soll, denn immerhin kenne ich mich hier nicht wirklich aus.“, gab ich zu. Eine Weile herrschte eine bedrückende Stille zwischen uns, dann traute ich mich aufzusehen. Nero hatte seinen Blick nicht abgewandt, jedoch hatte sich ein warmes Lächeln auf seine Lippen gelegt. Ein Ausdruck, den ich von ihm noch nicht kannte. Dann schüttelte er leicht den Kopf. „Tut mir Leid.“, meinte er schließlich, „Ich glaube es war wirklich dumm von mir zu denken, dass du das alles alleine schaffen würdest.“ Ich erwiderte sein Lächeln als mir bewusst wurde, dass er seine neuen Pläne wirklich ernst meinte. Er wollte mich tatsächlich weiterhin mitnehmen. „Vermisst du eigentlich deine alte Heimat?“, wechselte er das Thema. Sein Lächeln war mittlerweile wieder von seinen Lippen gewichen, sein Gesichtsausdruck blieb jedoch warm und aufmerksam. „Nun ja…“, murmelte ich und kratzte mir nachdenklich am Hinterkopf. Ja, tat ich das überhaupt? Natürlich, ich hatte mich ab und an dabei erwischt wie ich an Katie und meine Eltern gedacht hatte, doch eigentlich rumorte kein Gefühl von Heimweh in meinem Magen – sondern Neugierde. „Ein wenig.“, gab ich schließlich zu. „Ich liebe meine Welt und fühle mich dort eigentlich relativ wohl, aber… Dort ist alles so geordnet und monoton. Man hat nur selten eine Wahl, sondern muss strikt vorausgehen. Hier ist das anscheinend anders. Hier ist man frei und nicht eingezäunt, man braucht sich keine Sorgen über das Morgen machen, sondern einfach in den Tag hinein leben. So etwas habe ich mir schon immer irgendwie gewünscht…“ Der Silberhaarige hörte mir aufmerksam zu und zeigte keine Spur von Desinteresse; Etwas, was ich mir von Katie oder meinen Eltern öfter einmal gewünscht hätte. „Na ja, so einfach ist das hier nun auch wieder nicht.“, stoppte mich Nero in meinem Enthusiasmus. „Es gibt schon gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen und es gibt vieles, das man beachten muss. Und die Freiheit… Das ist so eine Sache. Es gibt einmal Menschen wie mich, die sich zu etwas verpflichtet haben und dadurch viel umherreisen. Dann gibt es wieder so Leute wie Layla oder überhaupt die ganzen Bewohner in den Dörfern, die sich niedergelassen haben und hierbleiben. Ja, und zu guter letzt gibt es dann noch die, die frei sein wollen und umherziehen, ohne dabei eine Aufgabe zu haben. Allerdings ist dieses Leben mittlerweile ziemlich gefährlich geworden, vor allem durch die Dämonen.“, erklärte er mir. „Noch ist es nicht so schlimm. Zwar sind die Scarecrow in Gruppen ziemlich stark und sehr leicht reizbar, aber man kann ihnen entkommen. Doch ich weiß, dass es weitaus stärkere Gegner gibt, die kein Erbarmen kennen und sie nicht entkommen lassen würden.“ Ich nickte kurz. Anscheinend hatte ich mich da ziemlich in etwas verrannt. Trotzdem, der Ruf der Freiheit reizte mich immer noch sehr. Dennoch wollte ich nicht weiter mit Nero darüber diskutieren. „Vielleicht hast du Recht.“, sagte ich schließlich. „Aber das Stadtleben hier scheint auch ganz schön zu sein. Aber jetzt einmal etwas anderes… Woher kennst du Layla eigentlich?“, fragte ich neugierig. Nero verdrehte leicht die Augen, denn den er hatte meine versteckte Andeutung anscheinend bemerkt. „Layla war ebenfalls im Orden des Schwertes, bis sie schließlich hierher gezogen ist. Sie ist eine gute Freundin von Kyrie.“ Ich hob eine Augenbraue. „Kyrie?“, fragte ich nach. Nero nickte. „Nun, wie soll ich das erklären? Also… Ich bin ein Waisenkind und wurde vom Anführer vom Orden des Schwertes aufgezogen, gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester, Kyrie.“, antwortete er. Ich schluckte. Neros Eltern waren tot? „Das… das tut mir Leid… Also ich meine mit deinen Eltern…“ Nero lächelte, jedoch war es ein bitteres Lächeln. „Ist schon okay. Ich war ja noch ziemlich klein und habe von ihrem Tod kaum etwas mitbekommen.“ Ich versuchte ihm abzukaufen, dass ihn der Tod seiner Eltern wirklich nicht störte, jedoch spürte ich, dass es nicht so war. Dennoch ging ich nicht weiter darauf ein. „Was ist eigentlich mit dir?“, fragte er plötzlich. „Was ist mit deiner Familie?“ Fast automatisch seufzte ich. Ich hätte es kommen sehen müssen. Ich sprach nur ziemlich ungern über meine Familie, da damit viele, schmerzhafte Erinnerungen verbunden waren, dennoch tat ich Nero den Gefallen und begann zu sprechen – jedoch nicht ohne den Tränen nahe zu sein. „Nun, meine Eltern, sie… sie sind schon länger getrennt. Meine Mutter hat einen neuen Freund und beide sind ständig weg, sodass ich andauernd alleine bin. Und mein Vater, er… Er tut zwar so, als würde er sich um mich kümmern, doch manchmal meldet er sich tagelang einfach nicht.“ Ich blickte auf und sah zu Nero herüber. Mittlerweile konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und ich schluchzte leise. „Zwar… zwar ist das nicht so schlimm wie in deinem Falle, denn du hast ja gar keine Eltern mehr… Aber trotzdem tut es verdammt weh, zu wissen, dass man nicht erwünscht ist.“ Ich sah auf meine Hände. Die Tränen liefen mir heiß über die rosigen Wangen. Plötzlich hörte ich, wie mein Bett leise knarrte. Die Matratze senkte sich leicht. Ein Arm legte sich zögerlich um meine Schulter und zog mich an den warmen, dazugehörigen Körper. „Pscht, hey…“, flüsterte Nero sanft und strich mir beruhigend durchs Haar. „Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir… Hör‘ auf zu weinen, es wird alles wieder in Ordnung werden.“ Ich schmiegte mich etwas enger an ihn und vergrub meinen Kopf in seine Halsbeuge. Erwidern konnte ich nichts, stattdessen schluchzte ich einfach nur. Irgendwann wurden meine Lider schwerer, mein Atem beruhigte sich etwas und ich schlief in Neros Armen ein…
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. Sa Apr 18, 2009 12:06 am
Lisa? Es gibt was zu feiern! Ich habe die 3000-Wortmarke für ein Kapitel geknackt. Hier ist das bombenlange Chapter. <3
Kapitel 9: Ein neuer Anhaltspunkt
Am nächsten Morgen wurde ich durch die Sonnenstrahlen, die sanft auf meiner Haut kitzelten, geweckt. Ich blinzelte verschlafen und gähnte leise, ehe ich mich aufrichtete. Ich brauchte einen Moment bis mir einfiel, wo ich war. Sofort schossen mir die Erinnerungen vom gestrigen Abend wieder hoch. Ich hatte ein schemenhaftes Bild vor Augen, wie Nero mich in seinen Armen hielt und ich mich eng an ihn geschmiegte. Er strich mir sanft durchs Haar und über den Rücken, während ich meinen Kopf in seine Halsbeuge vergrub, die Augen geschlossen. Sofort schoss mir die Schamesröte in den Kopf. Ich hatte doch tatsächlich mit Nero gekuschelt! Ich biss mir auf die Unterlippe. „Oh nein, Anna, warum hast du das gemacht?“, dachte ich. Heimlich linste ich zu Neros Bett herüber. Anscheinend schlief er noch. Die Decke hatte er fast komplett über sich gezogen, ich konnte nur den wuscheligen, silbernen Haarschopf erkennen. Ich musste unwillkürlich lächeln. Er sah niedlich aus, wenn er schlief, auch, wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte. „Moment einmal, was denke ich da überhaupt? Anna, bist du bescheuert?!“, tadelte ich mich und legte meine Stirn in Falten. Ich durfte einfach nicht so denken. Nero war mein ‚Kumpel‘, vielleicht sogar weniger als das, da konnte ich doch nicht einfach so für ihn schwärmen. Immerhin kannte ich ihn gerade mal ein, zwei Tage. In so einer kurzen Zeit konnte man doch keine Beziehung aufbauen! Oder vielleicht doch? Ich seufzte und ehe ich mir weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte, spürte ich plötzlich einen Blick auf mir ruhen. „Anna?“, murmelte er, „Alles in Ordnung?“ Ich zuckte erschrocken zusammen. Als aufschaute, bemerkte ich, dass Nero bereits aufgestanden war und sein Bett gemacht hatte. „Ich habe dir einen guten Morgen gewünscht, allerdings hast du nicht geantwortet.“ Ich schluckte und sah peinlich berührt auf meine Hände. „Tut mir Leid , i-ich… war mit meinen Gedanken irgend-irgendwo anders.“, stotterte ich mit hochrotem Kopf und fuhr mir verlegen durchs Haar. Ich hörte den Halbdämonen leise lachen. „Schon okay. Komm‘, wir müssen uns beeilen, denn Layla muss das Zimmer für die neuen Gäste vorbereiten.“ Ich nickte, machte eilig mein Bett und ging gemeinsam mit Nero nach unten. Layla stand bereits am Fuße der Treppe und fixierte uns mit zusammengekniffenen Augen. „Ihr seid spät dran.“, stellte sie fest. Ich sah reumütig zur Seite, doch Nero zuckte nur mit den Schultern. „Jetzt sind wir ja da. Danke nochmal. Zahlen werde ich, wenn ich wieder vorbeikomme, okay? Wir müssen nämlich jetzt los.“ Layla seufzte schwer. „Ja, ja, wie immer… Bis bald, Nero. Anna? Hoffentlich sehen wir uns einmal wieder.“ Ihr wütender Gesichtsausdruck war verschwunden, stattdessen lächelte sie mich lieb an. „Ja, hoffentlich.“, stimmte ich zu und erwiderte ihr Lächeln ehrlich. Wir verabschiedeten uns von der blonden Frau und verließen das kleine Hotel. In den Straßen herrschte bereits reges Treiben. Die vielen Menschen waren unterwegs, um ihre Einkäufe zu machen oder zur Arbeit zu gehen. Einige blieben stehen und winkten Nero zu, andere gingen auf ihn zu und begrüßten ihn. Anscheinend kannte er ziemlich viele Leute. „Wow, du scheinst ganz schön gefragt so sein.“, schmunzelte ich, als er sich am Stadtrand von einem jungen Mann verabschiedete, welcher Ryan hieß. „Na ja, die meisten kann ich nicht wirklich ausstehen.“, gab der Silberhaarige zu und kratzte sich am Hinterkopf. „Man lernt halt ab und an jemanden kennen, wenn man so herum kommt wie ich.“, fügte er hinzu. „Verstehe…“, meinte ich. „Nun, ich habe nicht sonderlich viele Freunde. Eigentlich nur Katie. Mensch, die macht sich bestimmt totale Sorgen um mich…“, seufzte ich. „Du wirst noch früh genug nach Hause kommen. Ich habe es dir doch versprochen.“, erwiderte Nero und tätschelte mir meine Schulter. „Wenn ich das überhaupt will…“, dachte ich. Wir liefen eine Weile schweigend einen kleinen Pfad entlang, der durch einen weiteren Wald führte. Er sah dem, durch den mich Nero am Vortag geführt hatte, verdammt ähnlich. Plötzlich blieb Nero stehen. „Wir sind nicht alleine.“, murmelte er. Ich lauschte, konnte jedoch kein Geräusch ausmachen, dass darauf schließen ließ, dass jemand in der Nähe war. Auf einmal weiteten sich Neros Augen und er schubste mich leicht zur Seite. „Anna, lauf‘!“, rief er. Ich blickte ihn fragend an und machte den Mund auf um etwas zu sagen, doch Nero ließ mich gar nicht zu Wort kommen. „Rede nicht, hau‘ ab!“, schrie er mich an und drängte mich vom Weg tiefer in den Wald. Ich verstand gar nichts mehr. Was war plötzlich nur los? Dennoch leistete ich seinem Wort Folge und rannte los, tief in den Wald hinein. Für einen Moment existierte in meinen Ohren nur das Rauschen der Blätter und Sträucher, die mir beim Laufen ins Gesicht schlugen, doch plötzlich ließ mich ein markerschütternder, mir vollkommen fremder Schrei, schaudern. Augenblicklich blieb ich stehen. „Nero!“, rief ich panisch und versuchte durch die dicht nebeneinanderstehenden Bäume seine Konturen auszumachen, doch ich war bereits viel zu tief in den Wald hinein gelaufen. „Nero!“, schrie ich noch einmal, doch wieder erhielt ich keine Antwort. Plötzlich raschelte etwas neben mir. „Nero?“, wisperte ich, doch mit einem Mal sprangen zwei Wesen aus dem Geäst. Eines davon riss mich zu Boden, das andere stellte sich neben mich. Ich blinzelte erschrocken und sah in das Gesicht eines Monsters, das aussah wie einer dieser Dinosaurier aus den Sachbüchern. Jedoch war er – zu meinem Leideswesen – verdammt echt. Ich begann zu zittern und hielt die Luft an. Warum funktionierte meine verdammte Fähigkeit nicht. Ohne, auch nur weiter zu überlegen, bündelte ich meine restliche Kraft, richtete mich auf und stieß das Wesen von mir herunter. Dann lief ich los, ohne zu wissen, in welche Richtung ich musste. Hinter mir schrie das Monster wütend auf und rannte los, gefolgt von seinem Begleiter. Mein Herz raste und pochte laut in meinen Kopf. Das Blut rauschte in meinen Ohren und ließ mich kaum mehr klar denken. Ich hatte nur noch eines im Kopf: Weg von hier! Die Dornen eines hochgewachsenen Strauchs rissen an meinem Unterschenkel und bohrten sich in meine Haut hinein. Warmes Blut floss aus der Wunde und über mein Bein, doch ich achtete nicht darauf. Äste schlugen mir ins Gesicht, zogen an meiner Kleidung und machten mich so langsamer, während die dinosaurierartigen Wesen immer weiter aufholten. Mit einem Mal lichtete sich der Wald ein wenig, bis ich plötzlich den Halt unter meinen Füßen verlor und einen Abhang hinab rollte. Ich konnte gar nicht schnell genug erfassen, was passiert war, denn auf einmal schlug mir eine Wasserwelle ins Gesicht. Erschrocken riss ich die Augen auf und versuchte meine Umgebung zu erfassen. Ich befand mich in einem Fluss, den ich beim Laufen anscheinend übersehen hatte und durch meinen Sturz hineingefallen war. Panisch ruderte ich mit den Armen, versuchte mich über Wasser zu halten und ans Ufer zu schwimmen, doch die Strömung war zu stark. Ehe ich durch die Wellen, die sich bildeten, nach unten gedrückt wurde, sah ich die Monster, die mir wütend nachblickten. Dann wurde ich ruckartig zum Flussgrund gerissen. Ich konnte mich durch die Macht des Wassers einfach nicht wehren. Meine Kräfte verließen mich und ich bekam keine Luft mehr. „Ich werde ertrinken, ich werde ertrinken!“, dachte ich panisch und wollte noch einmal einen Versuch starten wieder nach oben zu kommen, doch dann wurde mir schwarz vor Augen. Das Letzte, was ich spürte, war ein gewaltiger Ruck, dann verlor ich mein Bewusstsein… Ich träumte. Ich befand mich auf einer wunderschönen Blumenwiese. Alles um mich herum glitzerte in einem goldenen Licht. Selbst das grüne Gras schien golden zu sein. Ich saß auf einem Baumstamm und blickte hinauf zum Himmel. Er war weiß und die Sonne war nicht zu sehen, dennoch war es hell. Irgendwie fühlte ich mich leicht, so als ob ich fliegen könnte. Plötzlich gab es ein merkwürdiges Geräusch. Es war ein Rauschen und als ich aufsah, bahnte sich eine riesige Welle durch die schimmernden Bäume. Ich stand auf und versuchte wegzulaufen, doch ich kam einfach nicht vom Fleck! Die Welle floss tosend auf mich zu und begrub mich schließlich unter sich. Alles um mich herum wurde dunkel. Dunkel, schwarz und leer. Ich schrie und strampelte mit den Beinen. Ich wollte nicht untergehen, wollte nicht sterben. Doch plötzlich drang eine ruhige, sanfte Stimme ein mein Ohr. „Wach‘ auf!“, sagte sie, „Los, wach‘ auf!“
Lana Alison Admin
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. Sa Apr 18, 2009 1:42 am
Ich riss die Augen auf und richtete mich abrupt auf. Panisch sah ich mich um. Mein Atem ging stoßweise und rasselte. Ich brauchte einen Moment, bis ich meine Umgebung erfassen konnte. Ich lag in einem Bett in einem kleinen, sonst möbellosen Zimmer. Zwei Fenster ließen das Licht der Sonne, die anscheinend gerade dabei war unter zu gehen, herein. Die Fensterbänke warfen lange Schatten, während das rötliche Licht an den Wänden flimmerte. Allerdings war ich nicht alleine im Raum. Rechts von mir stand ein älterer, bereits ergrauter Mann. Er hatte lichtes, relativ kurzes Haar, das nach allein Seiten abstand. Seine Augen waren groß und dunkel. Sie strahlten Wärme aus. Um seinen Mund herum und auf seinen Wangen hatten sich tiefe Lachfalten eingeprägt. Er schien mir sympathisch. Dennoch traute ich ihm nicht ganz über den Weg. „Endlich…“, seufzte er. Seine Stimme war tief, in meinen Ohren jedoch sehr freundlich. „Du bist wach. Ich dachte schon, du würdest nie aus deinem Traum erwachen. Du hast ziemlich geschrien, weißt du. Was war los?“ Ich begriff nur langsam seine Worte, denn ich war noch immer vollkommen verwirrt. „Wer… wer sind Sie?“, fragte ich mit heiserer Stimme. Mein Hals kratzte beim Sprechen. „Oh, Entschuldigung, ich habe mich ja noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Kieran.“ Meine Augen weiteten sich. Kieran… Den Namen hatte ich doch schon einmal gelesen. „Ich… ich kenne Sie…“, wisperte ich, als mir einfiel, wo ich seinen Namen gehört hatte. „Sie haben diese Statue gemeißelt… Sie sind der Bildhauer, der Nero gemacht hat!“ Kieran sah mich fragend an, doch dann änderte sich seine Miene schlagartig. Sein Ausdruck wurde traurig, ja, sogar verletzt. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Er seufzte erneut und nickte schließlich. „Ja, da hast du Recht. Ja, ich habe diese Statue geschaffen, die du meinst. Du kommst also nicht von hier, sondern aus Bayern?“ Ich schluckte. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Er war ebenfalls irgendwie in diese Welt geraten. „Ja.“, antwortete ich schließlich. „Mein Name ist Anna. Ich bin durch den Keller in diese Welt hier geraten. Da war so ein Schwert, wissen Sie, und…“ Kieran hob die Hand und brachte mich so zum Schweigen. „Ich weiß, mein Kind, ich weiß. Das Schwert habe ich damals dort angebracht.“, sprach er und sah mir dabei in die Augen. Noch immer war sein unglücklicher Ausdruck nicht von seinem Gesicht gewichen. „Ich hatte gehofft, dass meine Schwester besser darauf aufpasst, dass niemand in den Keller geht.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe ihr so oft gesagt, dass sie das Schloss nicht mehr als Jugendherberge nutzen soll! Sie hätte genug Geld durch meine Gemälde verdient. Aber sie wollte ja nicht auf mich hören…“ Je länger ich ihm zuhörte, umso mehr wuchs meine innere Anspannung. Ich wollte unbedingt wissen, wie ich wieder nach Hause kam. Doch gleichzeitig war ich neugierig geworden. Ich hatte also mit meiner Vermutung tatsächlich Recht gehabt – der angeblich verrückte Bildhauer war tatsächlich der Bruder der Schlossherrin. Und er befand sich in dieser Welt! Deshalb konnte er sich auch nicht mehr melden. „Wieso… ich meine…“, stotterte ich. Kieran schüttelte den Kopf. „Ich werde dir alles erklären, Anna. Möchtest du etwas trinken?“ Ich nickte leicht. „Warte hier.“ Eine knappe Viertelstunde später saß ich in dem warmen Bett mit einem Tee in der Hand. Kieran hatte sich einen Stuhl geholt und saß neben dem Bett. Er schwieg einige Zeit, dann räusperte er sich. „Du möchtest wahrscheinlich wissen, wie du wieder nach Hause kommst, nicht wahr? Aber ich sehe dir auch an, dass du an meiner Geschichte interessiert bist. Am Besten fange ich damit an. Dann wirst du alles verstehen.“ Ich nickte, nippte kurz an meinem Tee, sah ihn schließlich an und zeigte ihm damit, dass er meine Aufmerksamkeit hatte. „Meine Schwester und ich haben vor langer Zeit das Schloss in Bayern von unseren Eltern geerbt. Sie beide starben bei einem Autounfall und da ihnen das Haus nicht gehörte, sondern das Schloss, zogen wir schließlich beide darin ein, denn wir lebten in unterschiedlichen Wohnungen und hätten es so nicht finanzieren können. Zwar war ich ein berühmter Künstler, jedoch verdiente ich nicht sehr gut mit meinen Bildern und meine Schwester war bis dahin eine Bürokauffrau, deren Firma aber bereits Insolvenz angemeldet hatte. Doch ich freute mich sehr, dass mir das Schloss gehören würde. Denn schon früher rankten sich merkwürdige Legenden um das Schloss. Sie wurden von unserer Familie immer weitergegeben, denn das Schloss ist schon einige Jahrhunderte alt. In den Legenden ging es darum, dass das Schloss angeblich ein Tor zu einer anderen Welt beherbergt, die unserer nur zum Teil gleicht. Meine Schwester hat niemals daran geglaubt, doch da ich schon immer an solch alten Erzählungen interessiert war, erkundete ich eines Nachts das Schloss, um das mögliche Tor zu finden. Und ich fand es tatsächlich. Im Schlosskeller gab es eine merkwürdige Treppe. Je tiefer man kletterte, umso mehr wurde man von einem eigenartigen, roten Licht nahezu angezogen. Plötzlich wurde ich ohnmächtig und wachte schließlich in dieser Welt hier auf. Glücklicherweise fand ich die Treppe bald wieder und kehrte eilig zurück. Ich erzählte meiner Schwester von dem Tor und zeigte es mir, doch sie wollte gar nichts davon wissen und verbot mir wieder in die Welt zurückzukehren. Aber eines Tages überkam mich erneut die Neugier, ich kletterte wieder hinab und ging durch einen Wald, bis ich in einem Dorf ankam. Dort traf ich auf einen jungen Krieger namens Nero. Er war gerade mal 14, schien jedoch sehr erwachsen. Ich tat so, als käme ich von weit her. Er erklärte mir einiges von ihm und seiner Welt, doch plötzlich wurden wir von fremden Kriegern angegriffen. Nero verteidigte mich und schlug die Krieger in die Flucht. Wäre ich alleine gewesen, hätten sie mich wahrscheinlich getötet. Jedenfalls nahm ich eines der Schwerter der Gegner mit, um meiner Schwester zu erklären, was ich erlebt hatte und prägte mir zudem das Aussehen meines Retters ein. Schließlich kehrte ich wieder zurück nach Hause. Allerdings war meine Schwester von meinem Ausflug gar nicht begeistert. Sie nahm mir das Schwert ab, versteckte es und sperrte den Keller ab. In den Monaten darauf zog ich mich immer mehr zurück und begann mich für die Bildhauerei zu interessieren. Meine ersten Statuen wurden natürlich nicht so schön, weil ich einfach kein Bild vor Augen hatte. Doch schließlich erinnerte ich mich an Nero zurück und machte von ihm diese Statue. Ich gab ihr den Namen „Nero, der Dämonenjäger“, weil er mir vor dem Angriff erklärt hatte, er wolle die Welt vor Dämonen befreien. Obwohl meine Schwester nicht sehr begeistert war, stellte sie die Statue in der Nähe des Kellers auf. Eines Nachts ergriff mich erneut die Neugier. Ich brach das Türschloss auf, ging hinunter in den Keller und klomm erneut die Treppe herab. Doch als ich wieder aufwachte und mich umdrehte, war der Eingang verschwunden und mir wurde klar, was geschehen war. Meine Schwester war mir gefolgt und hatte wahrscheinlich den Weg nach oben versperrt, sodass man nicht wieder durch die Treppe in den Keller kommen konnte. Monatelang irrte ich herum und ließ mich schließlich hier nieder, weil mir klar war, dass ich nicht zurück kommen könnte.“ Ich hatte gespannt zugehört und den nun kalten Tee in meinen Händen vollkommen vergessen. Ich konnte nichts sagen. Meine Kehle war wie ausgetrocknet. Doch ich musste einfach wissen, wie ich nach Hause kam. „Als…als ich im Keller war, war da so eine rote Masse. Und ein Schwert auf einer Plattform.“, sagte ich. Kieran nickte. „Das muss das Schwert gewesen sein, dass meine Schwester mir abgenommen hat. Anscheinend hat sie es dort heruntergebracht. Das Schwert hat eine solch große Macht gehabt, da es aus einer anderen Welt stammt, dass es die Umgebung verändert hat. Und du hast es also gefunden…“ Ich nickte leicht. „Und wie… wie komme ich wieder nach Hause?“, fragte ich. Kieran legte die Stirn in Falten und überlegte. „Du hattest das Schwert in der Hand, als du ohnmächtig geworden bist?“ Ich nickte erneut. „Und als du aufgewacht bist, war es nicht mehr da?“, fragte er nach. „Ja.“, antwortete ich. „Nun, ich… Ich glaube, dass das Schwert noch mit der alten Welt verbunden ist. Der Eingang ist zwar wieder frei, aber anscheinend wird noch das Schwert benötigt, das dich wieder in die andere Welt bringt. Du musst das Schwert finden, dass anscheinend irgendwo in dieser Welt gelandet ist.“, erwiderte Kieran und seufzte leise. „Du wirst eine ziemliche Reise vor dir haben.“ Ich musste ebenfalls seufzen. Jetzt wusste ich also, wie ich vielleicht nach Hause kommen würde, jedoch war dies schwerer getan als es sich anhörte. Das Schwert konnte überall sein. „Mist…“, murmelte ich und strich mir durchs Gesicht. „Wie soll ich das nur anstellen? Vor allem, weil ich Nero verloren hatte.“ Kieran räusperte sich plötzlich. „Du hast Nero getroffen?“ Ich nickte. „Er hat mich vor ein paar Dämonen gerettet. Und seitdem sind wir zusammen unterwegs. Allerdings wurden wir im Wald angegriffen und ich habe ihn verloren. Irgendwie bin ich in den Fluss gestürzt. Sie haben mich gerettet, nicht?“ Kieran nickte. Ich lächelte. „Danke.“, sagte ich höflich, „Sie haben mir das Leben gerettet.“ Der Grauhaarige lachte leise. „Keine Ursache, Anna. Wie geht es dir eigentlich?“, fragte er. „Gut.“, erwiderte ich, mittlerweile etwas wacher. Ich stand auf, mit der Tasse in der Hand. Kieran griff danach und nahm sie mir ab. „Du solltest Nero suchen.“, sagte er und ich nickte. „Aber bevor du gehst, habe ich noch etwas für dich.“ Kieran stand von seinem Stuhl auf und ging zur Tür. Ich folgte ihm, neugierig darauf, was er mir geben wollte. Er führte mich durch einen schmalen Gang in einen zweiten Raum, der wahrscheinlich als Eingangshalle diente. Zielstrebig ging der Mann auf einen merkwürdigen Gegenstand zu. Er sah aus wie die Hülle, in der früher die Schwerter gesteckt wurden. „Hier.“ Er drückte mir den schweren Gegenstand in die Hand. Tatsächlich: Ein Griff ragte aus der Hülle. Er wollte mir ein Schwert schenken? „Aber das kann ich doch nicht annehmen.“, sagte ich empört, doch Kieran schüttelte nur den Kopf. „Ich kämpfe nicht mehr damit. Und außerdem brauchst du es dringender als ich.“, erwiderte er und öffnete die Türe, die nach draußen führte. Es war bereits dunkel geworden. „Nero ist bestimmt auf der Suche nach dir. Richte ihm Grüße von mir aus, falls du ihn findest.“ Ich nickte und trat nach draußen. „Mache ich. Danke für alles!“, sagte ich und lächelte glücklich. Kieran erwiderte mein Lächeln. „Auf Wiedersehen.“ Ich drehte mich um und wollte losgehen, doch Kieran rief mir etwas zu und ich drehte mich um. „Und Anna? Viel Glück.“ Ich nickte, schulterte die Hülle, um die ein Riemen befestigt war, drehte mich wieder um und lief los, um Nero zu finden. Und als ich über eine Wurzel sprang, bedankte ich mich innerlich noch einmal bei Kieran, dem ich nicht nur mein Leben zu verdanken hatte, sondern auch die Tatsache, dass ich nun wusste, wie ich vielleicht nach Hause kommen würde.
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Das Kapitel musste ich tatsächlich in zwei Teile teilen, weil der Post zu lang war und dann immer eine Fehlermeldung kam. xD
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. Sa Apr 18, 2009 10:35 am
Yay! Das ist wirklcih ein tolles und riesiges Kapitel. *Applaus*
Lana Alison Admin
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Danke. <3 Heute mach' ich eine Sonderradiosendung zum Thema HKB. <3 Da gibt's dann auch noch ein paar Informationen zu den letzten Kapiteln, denn ich hab' gestern den kompletten Ablauf auf's Blatt gebracht. Jetzt muss ich ihn nur noch schreiben. Es wird auf jeden Fall zwei Dinge geben, die dann neu sein werden, aber was, verrate ich dann in der Sendung. ^__^
Strawberrykiss
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Wenn du nicht alles hören willst, weil's ja 28 Minuten sind, habe ich hier mal zusammengefasst, was ich nach dem vorletzten Lied sage, halt was die Vorschau betrifft:
- Es wird noch genau 12 Kapitel (11 + Epilog) geben (hab ich anscheinend beim Radio vertan *g*) - Ab Kapitel 14 wird die Story aus der Sicht von Nero geschrieben werden (das 5 Kapitel lang, dann wieder aus Annas Sicht) - Es wird einen weiteren, wichtigen Charakter geben - Es wird einen neuen Feind geben
Und es wird eine Fortsetzung zu der Geschichte geben. ^___^
Lana Alison Admin
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. So Apr 19, 2009 12:54 am
Kapitel 10: Eifersucht und Gefühlschaos
Schwer atmend rannte ich durch den Wald. Mittlerweile taten mir die Füße weh und ich war vollkommen am Ende meiner Kräfte, doch trotzdem trieb ich mich weiter voran. Ich musste Nero unbedingt finden, auch wenn ich nicht wusste, wo genau er war. Mittlerweile konnte ich kaum noch etwas sehen, denn es wurde immer dunkler im Wald. Ich musste aufpassen, um nicht aus Versehen gegen einen Baum zu rennen. Plötzlich vernahm ich eine Stimme, nicht weit weg von mir. Ich blieb stehen. „Anna! Anna, wo bist du?“ Das war Nero! Mein Herz machte einen Hüpfer. „Nero, hier!“, rief ich und lief los, in die Richtung, aus der ich die Stimme des Silberhaarigen vernommen hatte. Tatsächlich – nicht weit entfernt von mir stand Nero. Der runde Vollmond warf sein Licht genau auf den Halbdämonen, sodass ich erkennen konnte, dass sich seine Miene erhellte, als ich hinter ein paar Bäumen hervor gestolpert kam. „Nero!“ Ein letztes Mal beschleunigte ich meine Schritte und bevor ich mich überhaupt stoppen und mich zur Vernunft bringen konnte, war ich ihm bereits um den Hals gefallen. „Oh mein Gott, ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen!“, keuchte ich und drückte ihn noch etwas enger an mich. Zögerlich legte Nero seinen Arm um meine Schultern. Sein Atem kitzelte an meinem Hals. „Ha-hallo Anna…“, stotterte er. Ich wollte gerade glücklich meine Augen schließen, bis mir einfiel, was ich da überhaupt tat. Ich hatte mich einfach so an Nero gekuschelt. War ich denn nun vollkommen bescheuert geworden. Schnell ließ ich ihn los und taumelte ein paar Schritte zurück. Entschuldigung…“, nuschelte ich mit hochrotem Kopf und blickte zu Boden. Ich spürte, dass Nero schmunzelte. Eine Zeit lang rührte sich niemand von uns, bis Nero sich schließlich räusperte und so die Stille brach. „Wo warst du?“, fragte er. Ich blickte auf. Schwang da etwa Besorgnis in seiner Stimme mit? Nein, das bildete ich mir wahrscheinlich nur ein. Ich seufzte leise. „Als ich weggelaufen bin, wurde ich von zwei Dämonen verfolgt. Ich habe nicht auf den Weg geachtet und bin in einen Fluss gefallen, na ja, und dann… dann hat mich jemand gerettet. Sein Name war Kieran, du müsstest ihn kennen.“, erklärte ich. Der Silberhaarige nagte an seiner Unterlippe und fixierte einen unsichtbaren Punkt hinter mir. „Hm…“, murmelte der Halbdämon. Er schien zu überlegen. „Ja, sein Name kommt mir bekannt vor. Als ich 14 war, habe ich jemanden kennen gelernt, der Kieran hieß. Stimmt, ja! Er war jemand, der angeblich ebenfalls aus einer anderen Welt kam.“ Meine Miene erhellte sich. Er konnte sich tatsächlich erinnern. „Genau!“, erwiderte ich. „Er hat mich aus dem Fluss gefischt und zu sich nach Hause gebracht. Ihm gehört das Schloss, durch das ich hierher gekommen bin. Und er weiß, wie ich nach Hause komme!“ Neros ozeanblaue Augen blitzten auf. „Am Besten erzählst du mir alles von Anfang an.“, schlug er vor. Ich nickte. „Also, Kieran…“, begann ich und schilderte dem Halbdämonen, was ich erlebt und was Kieran mir erzählt hatte. Nero hörte aufmerksam zu, nickte ab und zu abwesend, ohne dabei den Blick von mir abzuwenden. „Ich soll dich übrigens von ihm grüßen.“, schloss ich meine Erzählung. Nero schmunzelte. „Nun, dann haben wir wohl ein neues Ziel vor uns. Wenn wir in Fortuna waren, werden wir uns auf die Suche nach dem Schwert machen, was hältst du davon?“, meinte er schließlich. Ein breites Lächeln zauberte sich auf meine Lippen. „Ja, das… das wäre wundervoll!“, antwortete ich. „Danke, Nero, danke! Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich machen soll!“ Zum ersten Mal hörte ich meinen Begleiter laut und aus ganzem Herzen lachen. Dieser Ton löste ein merkwürdiges Kribbeln in meinem Bauch aus. Sein Lachen klang so ehrlich, so schön… „Moment einmal, Stopp!“, dachte ich und schüttelte kaum merklich den Kopf, um diese abstrusen Gedanken zu vertreiben. Doch das Kribbeln im Bauch blieb. „Schon gut, Anna.“, sagte Nero schließlich mit einem weichen Lächeln auf den Lippen. „Komm‘, lass‘ uns weitergehen, sonst kommen wir nie in Fortuna an.“ Ich nickte und gemeinsam gingen wir los. „Was war das eigentlich heute Nachmittag?“, fragte ich nach einer Weile. Inzwischen befanden wir uns wieder auf einem Wanderpfad, der sich tief durch den Wald schlängelte. Innerlich bewunderte ich Nero dafür, dass er sich so gut auskannte. Für mich sahen die Bäume und Wege alle gleich aus. „Wo ich dich weggeschickt habe?“, erwiderte Nero. Ich nickte. „Aus dem gleichen Grund, warum du geflohen bist. Ich habe die Dämonen gehört und sofort gewusst, dass ich dich nicht vor ihnen beschützen könnte, weil es zu viele waren. Die Dämonen, die dich verfolgt haben, waren welche davon. Ich konnte sie nicht aufhalten, denn ich hatte es mit einem ganzen Rudel dieser Dämonen zu tun gehabt.“ Ich sah zu ihm auf und lächelte. „Ach so…“ Schweigend gingen wir weiter. Langsam lichtete sich der Wald und schließlich fanden wir uns in einem großen Dorf wieder, dass dem, in dem wir vorher gewesen waren, nur gering ähnelte. Zwar sahen die Häuser gleich aus, jedoch blinkten bunte Lichter von überall her. Es waren Leuchten, die an den Fensterrahmen oder an den Häusern selbst angebracht waren. Ich musste unwillkürlich an Las Vegas denken. Waren wir etwa in einer Spielerstadt gelandet. Ich blieb stehen. „Ist das Fortuna?“, fragte ich. Nero schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. „Quatsch. Wir befinden uns hier in Oberon, einem ziemlichen Partydorf. Hier ist erst nachts erst richtig etwas los.“, meinte er. „Wir sollten uns hier vielleicht ein Zimmer mieten. Oder hast du Lust, ein wenig Party zu machen?“ Ich musste schmunzeln. „Na ja, ich bin nicht sonderlich ein Mensch der gerne feiert. Aber zumindest rumgehen würde ich gerne. Ich will doch zu Hause etwas erzählen können.“ Nero nickte und ging zielstrebig los. Ohne zu Fragen folgte ich ihm. Anscheinend wusste er genau, wo er hinwollte. Er steuerte auf ein großes Gebäude zu, aus dem laute Musik drang. Zwei große Scheinwerfer beleuchteten die offen stehende Türe. Einige Menschen standen vor dem Gebäude und unterhielten sich. Sofort bereute ich meine Worte ein wenig. Immerhin kannte ich niemand dieser Menschen und ich war mir auch nicht sonderlich sicher, ob ich ihre Bekanntschaft machen wollte. Zugegeben, ich war einfach ein wenig schüchtern. Plötzlich blieb Nero stehen. Ich konnte gerade noch so bremsen, ansonsten wäre ich wahrscheinlich in ihn hineingelaufen. Gerade, als ich fragen wollte, was das sollte, beschleunigte der Silberhaarige seine Schritte. Er lief geradewegs auf eine junge Frau zu. Sie trug ein hübsches, langes Kleid. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden. Sie sah auf und als sie Nero bemerkte, begann sie zu strahlen. Ich hob eine Augenbraue. Anscheinend kannte sie ihn. Ich trottete langsam über die Straße und beeilte mich gar nicht erst Nero einzuholen, denn ich sah, wie ausgelassen und fröhlich er mit der Frau sprach. Kurz hatten sie sich sogar in den Armen gehabt. Eine Tatsache, die mir aus einem mir völlig absurden Grund nicht gefiel. Als ich bei den beiden ankam, stupste Nero mich an. „Anna? Das ist Kyrie. Kyrie, das ist Anna. Ich hab‘ sie vor ein paar Tagen aufgegriffen. Sie stammt aus einer anderen Welt und ich helfe ihr wieder nach Hause zu finden.“ Ich sah langsam auf. Kyrie lächelte mich freundlich an. Sie hatte ein schönes Gesicht. Neben ihr fühlte ich mich richtig hässlich. „Freut mich dich kennen zu lernen, Anna.“, sagte sie höflich. Sie schien nett zu sein, dennoch konnte ich sie nicht leiden. „Mich... mich auch.“, presste ich hervor und konnte nur schwer meinen genervten Unterton in der Stimme unterdrücken. Himmel, mussten wir jetzt auch noch eine wunderschöne Frau treffen, die anscheinend ziemlich gut mit Nero befreundet war? Und das noch auf einer Party? Das gefiel mir ganz und gar nicht. „Schön. Ihr seid also auf der Durchreise?“, fragte Kyrie. Ehe ich etwas erwidern konnte, fiel mir Nero bereits ins Wort. „Ja. Allerdings wollte Anna sich hier ein wenig umsehen. Glücklicherweise, schätze ich. Jetzt haben wir ja einen Grund zu feiern, oder Anna?“, fragte er lächelnd. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! „J-ja.“, erwiderte ich kühl. Die Miene der Braunhaarigen erhellte sich erneut. „Das ist super! Lasst uns reingehen, die Feier ist schon im vollen Gange. Eigentlich habe ich auf eine gute Freundin gewartet, allerdings kommt diese anscheinend nicht.“ Am liebsten hätte ich die Augen verdreht, hielt mich jedoch zurück. „Kein Wunder.“, dachte ich. Nero ging los, rempelte mich dabei leicht an, hielt es aber anscheinend nicht für nötig sich bei mir zu entschuldigen. Wie ein Hündchen folgte er brav der Brünetten, die auf das Gebäude zuging. „Anna, kommst du?“, rief Nero, ohne sich umzudrehen. Gerne wäre ich einfach abgerauscht, aber leider wusste ich ja nicht, wohin ich gehen konnte. „Ja, ja…“, grummelte ich und folgte den beiden. Das Innere des Gebäudes glich einem typischen Club in meiner Welt vollkommen. Der große Hauptraum war abgedunkelt, bunte Lampen waren überall angebracht, die in verschiedensten Farben leuchteten. In der Mitte des Zimmers befand sich eine Tanzfläche, auf der sich bereit viele Menschen gescharrt hatten. Irgendwo in den Ecken hämmerten die Boxen der Musikanlagen und versorgten die Tanzenden mit lauter Rockmusik. Ein Stück weiter davon entfernt befand sich die Bar und ein unauffälliger Gang führte anscheinend zu den Toiletten. Ich seufzte genervt, als ich sah, wie Nero und Kyrie genau auf die Tanzfläche zusteuerten. Toller Begleiter. Ließ mich einfach links liegen, wenn irgendeine hübschere Frau vor ihm stand. „Typisch Männer.“, dachte ich wütend und blieb stehen. Nero nahm nicht einmal Notiz davon, sondern begann mit Kyrie zu tanzen. Wut stieg in mir auf. Was fiel dieser blöden Kuh eigentlich ein sich so an Nero ranzumachen? Ich schnaubte laut und drehte mich um, als sie etwas enger miteinander tanzten. Ich wollte mir das nicht länger ansehen. Ich schob mich an ein einer Gruppe Erwachsenen vorbei, die gerade den Club betraten, rempelte dabei einen Mann an, entschuldigte mich jedoch nicht, sondern ging einfach weiter. Sollte der Idiot doch sehen wo er blieb und mit dieser Tussi rummachen! Beleidigt lief ich über den Platz und die Straßen entlang, bis ich schließlich irgendwo auf einem einsamen, dunklen Platz stehen blieb. Um mich herum war es vollkommen still. In diesem Teil des Dorfes war wohl anscheinend nie etwas los. Tatsächlich gab es hier nur ein paar uninteressante Geschäfte, bei denen sich das offen sein wahrscheinlich nicht lohnte. Ich seufzte und ließ mich auf eine der Bänke plumpsen, die in einem Kreis in der Mitte des Platzes standen. Ich vergrub meinen Kopf in meinen Händen und atmete tief durch. Was war nur mit mir los? Warum tat es mir nur so weh, Nero mit einer anderen zu sehen? Ich konnte mich doch nicht tatsächlich in ihn verliebt haben… Oder? Während ich darüber nachdachte, was ich nur zu Nero fühlte, merkte ich nicht, was um mich herum geschah. Erst, als mich etwas Kratzendes, Hartes an der Schulter berührte, sah ich auf. Ich linste unauffällig zur Seite – und erschrak. Sofort sprang ich auf die Beine und taumelte zurück. Neben mir saß eine der Scarecrow. Und nicht nur das. Um mich herum waren noch mehr dieser Dämonen. Mein Herz raste. Wie sollte ich hier nur wegkommen? Angst kroch in mir hoch. Plötzlich fiel mir etwas ein. „Das Schwert!“, wisperte ich. Ich legte meine Hand um den Griff des Schwertes, welches in der Schwertscheide steckte und zog es heraus. Es war ein schönes, langes Schwert, das im fahlen Licht des Mondes glänzte. Ehe ich weiter mein Schwert bewundern konnte, sprangen drei der Scarecrow auf mich zu. Panisch schwang ich mein Schwert und erwischte ein paar der Dämonen, die in einer Wolke verpufften. Ich seufzte erleichtert, doch auf einmal tauchten einige, weitere Scarecrow auf. Eine Weile konnte ich sie in Schach halten, doch ich wurde immer müder und unaufmerksamer. Immer mehr Scarecrow kamen hinter den Häusern hervor, griffen mich an und setzten mir ein paar Kratzer zu. Es waren einfach zu viele! Eine Zeit lang versuchte ich mich zu konzentrieren, doch meine Fähigkeit funktionierte nicht. „Warum schaffe ich das nicht mehr?“, dachte ich verzweifelt. Plötzlich sprang eine der Scarecrow auf mich zu. Völlig überrascht taumelte ich zurück, doch bevor sie mich erwischen konnte, verschwand sie auf einmal. Stattdessen wirbelte ein zweites Schwert in der Luft umher, dass die Scarecrow in die Flucht schlug. Die letzten, übrig gebliebenen Dämonen flohen in die dunklen Gassen. Als ich aufsah, um die Person zu betrachten, welche mich gerettet hatte, staunte ich nicht schlecht. Es war Nero. „Du?“, wisperte ich. Nero drehte sich um, steckte sein Schwert zurück und zog die Augenbrauen zusammen. „Anna, was sollte das? Warum bist du einfach gegangen?“, herrschte er mich an. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Erneut kochte die Wut in mir hoch. „Ich? Einfach gegangen? Bist du jetzt vollkommen dumm?!“, schrie ich ihn an. Der Silberhaarige schien ziemlich überrascht, dass ich so reagierte. „Meinst du, ich stehe die ganze Zeit daneben, während du dich mit Kyrie vergnügst? Das tat mir weh, verdammt!“, zischte ich und steckte mein Schwert zurück. „Ich habe keine Lust gehabt darauf zu warten, bis du mich wieder beachtest, aber du hattest doch eh nur Augen für Kyrie! Du…“ Nero ließ mich nicht ausreden, sondern fiel mir ins Wort. Seine Stimme war nun etwas ruhiger. „Kann das sein, dass du eifersüchtig warst?“, fragte er und sah mich erwartungsvoll an. Jetzt hatte er mich erwischt. Ich blickte zu Boden. Eine Zeit lang herrschte Stille zwischen uns, dann nickte ich leicht. „Ja…“, hauchte ich. Ich hörte Nero seufzen. „Anna, pass‘ auf, ich… Ich mag dich sehr, sehr gerne. Aber ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Ich kenne Kyrie schon mein halbes Leben lang, und ich mag sie auch ziemlich. Das ist alles so… verwirrend. Es tut mir Leid, wenn ich dich verletzt habe, das wollte ich wirklich nicht. Ich glaube es war dumm von mir mit Kyrie mitzugehen. Ich hätte absagen sollen.“ Ich schaute auf. Meinte er das etwa ernst? „Ich muss erst mal meine Gefühle ordnen, okay?“, fragte er. Ich nickte zögerlich. „Gut…“ Für einen Moment sahen wir uns schweigend an, dann lächelte der Halbdämon. „Am Besten gehen wir weiter, damit wir frühestmöglich Fortuna erreichen. Kyrie war nicht sonderlich begeistert, als ich gegangen bin um dich zu suchen.“, meinte Nero. „Okay, dann lass‘ uns gehen.“, erwiderte ich. Nero deutete mit dem Kopf auf eine Straße. Ich wollte losgehen, doch plötzlich legte Nero seinen Arm um meine Schultern. Ich zuckte erschrocken zusammen, lächelte dann jedoch leicht. „Jetzt können wir gehen.“, sagte er leise und ließ damit mein Herz etwas schneller schlagen.
Mehr kitsch geht nicht? Doch, das geht! Und zwar im nächsten Kapitel.
Lana Alison Admin
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. So Apr 19, 2009 2:37 am
Kapitel 11: Die Süße deiner Lippen
Die Sonne ging langsam auf. Wir waren die ganze Nacht durchgewandert, hatten keine Pause eingelegt, sodass ich mittlerweile ziemlich müde geworden war. Inzwischen befanden wir uns auf einem Wanderweg, welcher durch ein paar hohe, mit Schnee bedeckte Berge führte. Nero war etwas voraus gegangen, da ich ziemlich langsam ging. Meine Füße taten weh und mein Magen knurrte, denn ich bekam langsam ziemlich Hunger. Immerhin hatte ich seit Tagen nichts mehr gegessen. Zwar versuchte ich, dieses nagende Gefühl zu unterdrücken, doch dies gelang mir kaum. Nero schien nicht einmal im Ansatz erschöpft zu sein, sondern stampfte munter weiter. Ich seufzte leise und beschleunigte meine Schritte um etwas aufzuholen. Auf einmal blieb Nero stehen und blickte nach oben. Sein Blick verfinsterte sich. „Was ist?“, fragte ich. Plötzlich spürte ich einen Luftzug dicht neben mir und im nächsten Moment wurde ich zu Boden gerissen. Unsanft prallte mein Kopf auf dem harten Stein auf. Ich blinzelte und sah Sterne. Nero war auf mich zugerannt und hatte mich einfach umgestoßen. Erst wollte ich ihn anschreien, doch dann erkannte ich, dass er mich gerettet hatte. Eine Scarecrow hatte sich auf mich stürzen wollen. Der Halbdämon hatte dies verhindert. „Nero?“, wisperte ich, als ich merkte, dass er sich nicht rührte. Ich richtete mich auf. „Hey, alles in Ordnung?“ Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. Und dann sah ich, was mit ihm los das. Die Scarecrow hatte ihre sichelartige Hand durch seinen Körper gerammt. Mein Herz raste. „Nein!“, schrie ich. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich zog mein Schwert erledigte die Scarecrow und wandte mich sofort wieder an Nero. Er hatte seine Hand auf die stark blutende Wunde gepresst. Als er in die Knie ging, versuchte ich ihn zu stützen und ließ ihn so sanfter zu Boden sinken. Noch immer tat mir mein Kopf weh, doch das war mir egal. Jetzt zählte nur eins – Nero. Ich beugte mich über ihn. Für mich war alles wie in Watte gepackt. Ich bemerkte gar nicht, dass mir die Tränen unaufhaltsam über die Wangen liefen. „Nero…“, weinte ich. „Bitte, du darfst nicht sterben!“ Ich legte meine Hand unter sein Kinn und blickte in seine leeren Augen. „Du darfst mich nicht verlassen!“ Er rührte sich nicht. Seine Wunde blutete unaufhaltsam und bildete langsam eine rote Pfütze unter seinem Körper. Mein Herz raste. „Nero!“, schrie ich ihn an. „Komm‘ schon, du kannst nicht einfach so sterben! Ich brauche dich doch!“ Ich schluchzte laut und fiel ihm um den Hals. Ich presste meinen Kopf in seine Halsbeuge, wie in der Nacht, als er mich getröstet hatte. „Bitte…“, hauchte ich. „Ich… ich liebe dich doch…“ Es war erleichternd, diese Worte auszusprechen. Sie hatten mir schon die ganze Zeit auf den Lippen gelegen, auch, wenn ich es zu Anfang nicht wahrhaben wollte. Ja, ich hatte mich tatsächlich in Nero verliebt. Und ich wollte ihn, wollte ihn vom ganzen Herzen. Plötzlich spürte ich etwas Warmes auf meinem Rücken. Es war eine Hand. Neros Hand? Ich löste mich leicht von ihm. Tatsächlich. Neros Lippen zierte ein schwaches Lächeln, seine Augen glänzten leicht und sahen mich aufmerksam an. Er strich mir sanft über den Rücken, auch wenn ich merkte, dass ihn dies viel Kraft kostete. „Anna…“, wisperte er. „Sei… sei unbesorgt… Ich bin kein Mensch, sondern… ein Halbdämon. Ich sterbe nicht so leicht… gib‘ mir nur einen Moment Pause.“ Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Er würde überleben. „Nero…“, schluchzte ich. Und dann übermahnten mich meine Gefühle. Ich mich einfach nicht länger beherrschen. Ich schaute Nero fest in die Augen, strich mir die Tränen von den Wangen und legte meine Hand dann wieder unter sein Kinn. Nero wandte seinen Blick nicht ab, sondern sah mich abwartend an. Ich beugte mich leicht vor, kam seinem Gesicht so immer näher. Mein Magen rumorte und meine Haut kribbelte aufgeregt. Neros Atem streifte meine Wangen und machte mich so noch aufgeregter. Meine Hände begannen zu zittern, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich musste das einfach tun. Ich schloss meine Augen, reckte langsam meinen Hals, bis unsere Gesichter nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Ein letztes Mal atmete ich tief ein und überwand den letzten Abstand. Mein Herz schien mir aus der Brust zu springen, als seine unglaublich weichen Lippen meine berührten. Es dauerte einem Moment, doch dann spürte ich, dass Nero den Kuss zögernd erwiderte. Mein Atem beschleunigte sich. Eine Zeit lang verharrten wir vollkommen unbeweglich in dieser Position, bis ich spürte, dass der Silberhaarige sanft an meiner Unterlippe knabberte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Erneut schlug mein Herz etwas schneller, doch mein Mut siegte. Ich öffnete meinen Mund einen Spalt weit. Erneut bewegten wir uns eine Weile nicht, doch auf einmal stupste Neros Zunge sanft die meine an. Solch ein inniges Gefühl hatte ich noch verspürt. Zögerlich erwiderte ich den Zungenkuss, stütze mich dabei mit einer Hand am Boden ab. Zwar hatte ich noch nicht allzu viel Erfahrung in solch innigen Sachen machen dürfen, doch mir war sofort klar, dass Nero ein unglaublich guter Küsser war. Noch immer strich er sanft über meinen Rücken. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander. Erst jetzt merkte ich, dass ich seit einiger Zeit die Luft angehalten hatte, sodass mein Atem nun schnell und stoßweise ging. Ein Rotschimmer hatte sich auf meine Wangen gelegt und auch Nero schien ein wenig verlegen. Ich rutschte etwas von ihm weg. „Das war… wow…“, murmelte ich. Nero schmunzelte leicht und richtete sich auf. Schnell stellte ich fest, dass seine Wunde verschwunden war, doch darüber konnte ich mir keine Gedanken machen. Der Kuss ließ mich kaum mehr klar denken. Der Silberhaarige räusperte sich. „Wir… wir sollten weitergehen…“, sagte er leise. „Mir geht es schon wieder besser.“ Ich stand auf und nickte leicht. „J-ja, du…du hast R-recht.“, stotterte ich. Nero sprang auf die Beine und ging los. Ich blieb einen Moment lang unbeweglich stehen. Ich hatte Nero geküsst. Und er hatte meinen Kuss erwidert. War das etwas Gutes, oder etwas Schlechtes? Ich seufzte leise. Jetzt hatte er mich noch verwirrter gemacht, als ich es schon vorher gewesen war. „Was ist das nur zwischen uns?“, dachte ich und seufzte erneut. „Anna, kommst du?“, rief Nero mir zu. Er war inzwischen schon ein ganzes Stück voraus gegangen. „Ja.“, erwiderte ich, atmete tief ein und lief dann los, um Nero einzuholen.
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. So Apr 19, 2009 10:27 am
Wow, wie süüüß. <3 Endlich, hihi.
Sag mal, kostet das was bei imeem.com ?
Lana Alison Admin
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Thema: Re: Halbdämonen küssen besser. So Apr 19, 2009 11:29 am
Jaaa, ich konnt' auch nicht länger warten. ^___^ Wobei die Beziehung zwischen den beiden - durch Nero *g* - ja ziemlich verwirrend ist. x3 In den nächsten beiden Kapiteln wird das auch noch so sein, aber wenn ich aus Neros PoV schreibe, wird sich das ändern. <3
Nein, Imeem ist kostenlos.
Strawberrykiss
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Da ist's noch mal, Kapitel 11. Ich komme momentan durch die Schule kaum zum Schreiben, hoffentlich ändert sich das in den nächsten Wochen. :S Das Ende und ein kleiner Teil davor sind noch von der ersten Version des Kapitels, das davor ist alles neu.
Kapitel 11: Die Süße deiner Lippen
„Sind wir bald da?“, jammerte ich und stemmte die Hände in die Hüfte. Nachdem Nero und ich uns wiedergefunden hatten und aufgebrochen waren, hatte der Halbdämon mir keine Pause mehr gewährt. „Wir sind nicht mehr weit von Fortuna entfernt.“, hatte er zu Tagesanbruch gesagt. „Eine Pause wäre also unsinnig. Du möchtest doch schnell da sein, oder etwa nicht?“ Inzwischen war es Nachmittag geworden und Fortuna war noch immer nicht in Sicht. Ich war vollkommen erschöpft. Meine Füße taten weh, die hoch am Himmel sehende Sonne brannte mir im Nacken und ich wurde durch die Anstrengung des Wanderns langsam müde. Außerdem hatte ich ziemlichen Hunger, denn ich hatte schließlich seit der Ankunft am Schloss nichts mehr gegessen. Im Gegensatz zu mir stampfte Nero munter voraus, ohne auch nur eine Spur von Erschöpfung zu zeigen. Der lange Fußmarsch schien ihm absolut nichts auszumachen, scheinbar hatte er ziemlich gute Laune. Ab und zu summte oder pfiff er sogar fröhlich vor sich her, während ich keuchend versuchte mit ihm Schritt zu halten. Der Silberhaarige sah mich nicht an, als er mir antwortete, jedoch konnte ich aus dem Augenwinkel erkennen, dass er lächelte. „Gleich.“, erwidere er und sah kurz zum Himmel, „Nur noch ein kleines Stück.“ Ich seufzte schwer und fuhr mir mit einer Hand durchs Haar. „Das hast du vor zwei Stunden auch schon gesagt.“, murmelte ich niedergeschlagen und trat einen kleinen Stein, der in meinem Weg gelegen hatte, beiseite. Er rollte ins Gras, das rechts und links entlang des unbefestigten Trampelpfades wuchs, welchem wir schon seit mehreren Stunden folgten. Bei Tagesanbruch hatten Nero und ich den tiefen Wald verlassen, welchen wir von Oberon aus erreicht hatten und befanden uns mittlerweile auf einer Hochebene. Um uns herum ragten hohe Berge zum Himmel hinauf. Nur ein langer Pfad ließ darauf schließen, wo es lang ging. Doch auch nach Stunden des Wanderns sah für mich alles gleich aus. Liefen wir etwa im Kreis? Nero schien sich seiner Sache allerdings ziemlich sicher zu sein, sodass ich den Gedanken daran, dass wir uns wohlmöglich verirrt hatten, zumindest ein Stück weit verdrängen konnte. Ich seufzte erneut laut und blieb schließlich einfach stehen. Ich konnte nicht mehr. Meine Füße taten schrecklich weh und ich hatte riesigen Hunger. Der Silberhaarige ging noch ein Stück weiter, dann schien er zu merken, dass ich ihm nicht mehr folgte, und blieb ebenfalls stehen. „Was ist los?“, frage er, eine Augenbraue hochziehend. „Ich will eine Pause machen.“, jammerte ich, „Nero, ich bin total müde!“ Der Halbdämon schürzte die Lippen und verdrehte die Augen, doch ich konnte ihn anscheinend trotzdem überreden. „Na gut…“, murrte er genervt. „Aber nur fünf Minuten.“ Ich grinste zufrieden, sah kurz hinter mich und setzte mich schließlich ins Gras. Nero nahm auf einem Felsen Platz. Er blickte mich abwartend an, stützte seinen Kopf auf seiner menschlichen Hand und klopfte mit dem Fuß leicht auf den Boden, wahrscheinlich um zu zeigen, dass er nicht lange warten wollte. Ich versuchte das nervende Geräusch auszublenden, drehte meinen Kopf zur goldenen Sonne und schloss genießerisch die Augen. Das Sonnenlicht, welches zuvor noch unangenehm auf meiner Haut gebrannt hatte, tat mir nun ziemlich gut. Ich ließ meine Gedanken ein wenig schweifen. Neros Verhalten hatte mich reichlich verwirrt. Ich hatte noch keine Zeit gehabt darüber nachzudenken, doch nun war da wieder dieses merkwürdige Gefühl in meinem Magen, dass mich auf der Party in Oberon und auf den einsamen Marktplatz geplagt hatte. Was war dar nur zwischen mir und dem Halbdämonen, dem ich nun schon mehrmals mein Leben zu verdanken hatte? War ich tatsächlich in ihn verliebt? Immerhin hatte mich die Sache mit Kyrie ziemlich eifersüchtig gemacht. Außerdem gefiel mir seine Nähe. Bei ihm konnte ich mich fallen lassen, ich konnte endlich ich sein, musste mich nicht verstellen, sondern war einfach der Mensch, der ich wirklich war. Das war wohl wirklich Liebe…Oder? Und wie stand er zu mir? Er hatte mir gesagt, dass er seine Gefühle erst einmal ordnen musste. Hieß das etwa, dass er sich doch stärker zu mir hingezogen fühlte, als er sich wirklich eingestehen wollte? Aber vielleicht hatte ich ihn ja schon längst an Kyrie verloren und er wollte mir nur keine falschen Hoffnungen machen. Ich seufzte erneut und schüttelte kaum merklich den Kopf. Das viele Nachdenken ließ mir schwindelig werden und bereitete mir Kopfschmerzen. Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Nero war plötzlich mit einem Mal aufgestanden und ich wollte gerade etwas sagen, doch bevor ich auch nur meine Augen öffnen konnte, wurde ich von einem warmen, kräftigen Körper vollends zu Boden gerissen. Erschrocken zucke ich zusammen und blickte den Halbdämonen wütend an. „Bist du bescheuert oder so?!“, zischte ich empört, doch dann bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Neros Gesicht war schmerzverzerrt, er biss sich auf die Unterlippe und klammerte sich an meiner Schulter fest. Als ich meinen blick nahezu erstarrt über seinen muskulösen Körper schweifen ließ, schauderte ich. „Nero…“, keuche ich verängstig. Eine sichelartige Hand hatte sich durch seine Brust gebohrt – die Hand einer Scarecrow. Ich stand vollkommen neben mir und bemerkte gar nicht, dass ich aufstand. Ich zog mein Schwert, ohne den Griff wirklich in meinen Händen zu spüren. Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich sah, dass die Scarecrow ihren Arm zurückzog, zur Seite taumelte und der Silberhaarige in sich zusammensackte. Ich bündelte meine restliche Energie, trat einen Schritt vor und teilte den Körper der Scarecrow mit einem kräftigen Hieb entzwei. Der Dämon verpuffte mit einem lauten kreischen in einer grünen Rauchwolke, die ich jedoch nicht weiter beachtete. Stattdessen steckte ich mein Schwert weg und stürzte auf den Halbdämonen zu. Seine Gesichtszüge hatten sich entspannt. War er etwa tot? „Nein!“, schrie ich entsetzt, ließ mich neben ihm auf die Knie fallen und beugte mich über ihn. „Nero…“, weinte ich. „Bitte, du darfst nicht sterben!“ Ich legte meine Hand unter sein Kinn und blickte in seine leeren Augen. „Du darfst mich nicht verlassen!“ Er rührte sich nicht. Seine Wunde blutete unaufhaltsam und bildete langsam eine rote Pfütze unter seinem Körper. Mein Herz raste. „Nero!“, schrie ich ihn an. „Komm‘ schon, du kannst nicht einfach so sterben! Ich brauche dich doch!“ Ich schluchzte laut und fiel ihm um den Hals. Ich presste meinen Kopf in seine Halsbeuge, wie in der Nacht, als er mich getröstet hatte. „Bitte…“, hauchte ich. „Ich… ich liebe dich doch…“ Es war erleichternd, diese Worte auszusprechen. Sie hatten mir schon die ganze Zeit auf den Lippen gelegen, auch, wenn ich es zu Anfang nicht wahrhaben wollte. Ja, ich hatte mich tatsächlich in Nero verliebt. Und ich wollte ihn, wollte ihn vom ganzen Herzen. Plötzlich spürte ich etwas Warmes auf meinem Rücken. Es war eine Hand. Neros Hand? Ich löste mich leicht von ihm. Tatsächlich. Neros Lippen zierte ein schwaches Lächeln, seine Augen glänzten leicht und sahen mich aufmerksam an. Er strich mir sanft über den Rücken, auch wenn ich merkte, dass ihn dies viel Kraft kostete. „Anna…“, wisperte er. „Sei… sei unbesorgt… Ich bin kein Mensch, sondern… ein Halbdämon. Ich sterbe nicht so leicht… gib‘ mir nur einen Moment Pause.“ Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Er würde überleben. „Nero…“, schluchzte ich. Und dann übermahnten mich meine Gefühle. Ich mich einfach nicht länger beherrschen. Ich schaute Nero fest in die Augen, strich mir die Tränen von den Wangen und legte meine Hand dann wieder unter sein Kinn. Nero wandte seinen Blick nicht ab, sondern sah mich abwartend an. Ich beugte mich leicht vor, kam seinem Gesicht so immer näher. Mein Magen rumorte und meine Haut kribbelte aufgeregt. Neros Atem streifte meine Wangen und machte mich so noch aufgeregter. Meine Hände begannen zu zittern, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich musste das einfach tun. Ich schloss meine Augen, reckte langsam meinen Hals, bis unsere Gesichter nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Ein letztes Mal atmete ich tief ein und überwand den letzten Abstand. Mein Herz schien mir aus der Brust zu springen, als seine unglaublich weichen Lippen meine berührten. Es dauerte einem Moment, doch dann spürte ich, dass Nero den Kuss zögernd erwiderte. Mein Atem beschleunigte sich. Eine Zeit lang verharrten wir vollkommen unbeweglich in dieser Position, bis ich spürte, dass der Silberhaarige sanft an meiner Unterlippe knabberte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Erneut schlug mein Herz etwas schneller, doch mein Mut siegte. Ich öffnete meinen Mund einen Spalt weit. Erneut bewegten wir uns eine Weile nicht, doch auf einmal stupste Neros Zunge sanft die meine an. Solch ein inniges Gefühl hatte ich noch verspürt. Zögerlich erwiderte ich den Zungenkuss, stütze mich dabei mit einer Hand am Boden ab. Zwar hatte ich noch nicht allzu viel Erfahrung in solch innigen Sachen machen dürfen, doch mir war sofort klar, dass Nero ein unglaublich guter Küsser war. Noch immer strich er sanft über meinen Rücken. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander. Erst jetzt merkte ich, dass ich seit einiger Zeit die Luft angehalten hatte, sodass mein Atem nun schnell und stoßweise ging. Ein Rotschimmer hatte sich auf meine Wangen gelegt und auch Nero schien ein wenig verlegen. Ich rutschte etwas von ihm weg. „Das war… wow…“, murmelte ich. Nero schmunzelte leicht und richtete sich auf. Schnell stellte ich fest, dass seine Wunde verschwunden war, doch darüber konnte ich mir keine Gedanken machen. Der Kuss ließ mich kaum mehr klar denken. Der Silberhaarige räusperte sich. „Wir… wir sollten weitergehen…“, sagte er leise. „Mir geht es schon wieder besser.“ Ich stand auf und nickte leicht. „J-ja, du…du hast R-recht.“, stotterte ich. Nero sprang auf die Beine und ging los. Ich blieb einen Moment lang unbeweglich stehen. Ich hatte Nero geküsst. Und er hatte meinen Kuss erwidert. War das etwas Gutes, oder etwas Schlechtes? Ich seufzte leise. Jetzt hatte er mich noch verwirrter gemacht, als ich es schon vorher gewesen war. „Was ist das nur zwischen uns?“, dachte ich und seufzte erneut. „Anna, kommst du?“, rief Nero mir zu. Er war inzwischen schon ein ganzes Stück voraus gegangen. „Ja.“, erwiderte ich, atmete tief ein und lief dann los, um Nero einzuholen.
Strawberrykiss
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So, Kapitel 12 ist noch überhaupt nicht fertig, allerdings gibt es schon einen Anfang, und das ist ja die Hauptsache.
Kapitel 12: Willkommen in Fortuna!
Nero und ich verfielen auf dem restlichen Weg erneut in Schweigen. Diesmal jedoch verhielt sich der Dämon vollkommen still, pfiff oder summte nicht, sondern starrte Löcher in die Luft. Es war eine merkwürdige Atmosphäre zwischen uns, die mir alles andere als gefiel. Ich war mir sicher, dass dieser Kuss einiges zwischen uns verändert hatte. Nur war mir noch nicht klar, ob diese Veränderung gut oder schlecht war. Ich schüttelte leicht den Kopf, strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah zu Boden. Ich hatte ihm meine Liebe gestanden – einfach so! Zwar hatte ich mich für einen Moment befreit und glücklich gefühlt, doch nun wünschte ich mir, dass ich ihm dies nie gesagt hätte. „Ich bin wirklich richtig dämlich.“, ärgerte ich mich über mich selbst. „Ich sollte erst nachdenken, bevor ich rede.“ Völlig in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, wie Nero plötzlich stehen blieb. Fast wäre ich gegen ihn gelaufen. Ich hob eine Augenbraue und sah zu ihm hoch. „Was ist?“, fragte ich kleinlaut, da mir die ganze Angelegenheit noch immer ziemlich peinlich war. Mit einer Kopfbewegung deutete er in Richtung Norden. Der lange Wanderpfad teilte sich zu unseren Füßen. Während der eine Weg geradeaus weiterging, zweigte der andere nach rechts ab und führte fast schon steil nach unten. Ein paar Tannen versperrten die Sicht auf das Tal, in das der Weg anscheinend führte. „Nur noch da runter und wir sind da.“, antwortete der Silberhaarige auf meine Frage hin. Erleichtert stellte ich fest, dass seine Stimme nicht darauf schließen ließ, dass er wütend auf mich war oder sich von mir distanzieren wollte. Nein, er klang sogar ziemlich freundlich. Scheinbar freute er sich darauf, endlich nach Fortuna zu kommen. Und auch in mir machte sich langsam große Aufregung breit, denn nach Neros Erzählungen zufolge war Fortuna eine große, wunderschöne Stadt. Außerdem würde ich ja auch den Ordensführer kennen lernen, der mir vielleicht Aufschluss über meine merkwürdige Fähigkeit geben konnte – etwas, dass mir sehr wichtig war. Ich brachte nur ein leichtes Nicken zustande. „Gut.“, meinte ich und wollte weitergehen, doch Nero hielt mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zurück, indem er mich leicht am Arm fasste und zu sich zog. „Eines noch…“, begann er und sah mich eindringlich an. „Du wirst vielen Leuten in Fortuna wahrscheinlich auffallen. Es ist so… Fortuna ist ein ziemlich religiöser, heiliger Ort, in dem strenge Regeln und Gebote eingehalten werden. Ich gebe zu, ich beachte sie nicht allzu sehr, denn ich bin nicht sehr oft hier. Nun, worauf ich eigentlich hinaus will… Sie halten sich ziemlich bedeckt, was ihre Kleidung betrifft. Du bist also stiltechnisch das genaue Gegenteil von dem, was sie gerne in ihrer Stadt sehen. Also, versuche dich möglichst so zu geben wie sie, damit du nicht zu sehr aus der Menge herausstichst. Vielleicht finden wir in der Stadt etwas anderes zum Anziehen für dich, damit du für den Ordensführer nicht allzu sittenwidrig wirkst. Nimm‘ mir das nicht übel, ich versuche dir nur ein wenig zu helfen.“ Er lächelte mich entschuldigend an – eine Geste, die mein Herz zum Schmelzen brachte. Dennoch konnte ich seinen Worten nicht viel abgewinnen. Ich seufzte schwer, nickte aber trotzdem. Ich hasste es mich zu verändern, auch, wenn es nur für ein paar Tage sein würde. Außerdem hatte ich nicht sonderlich viel für Religion und Glauben übrig. Zwar tolerierte ich die Meinungen und Weltansichten anderer, doch für mich war dieses ganze Gehabe mit höheren Mächten kompletter Unsinn. Es gab in meinen Augen schließlich keine Beweise, dass es einen Gott gab. Obwohl mich Neros Worte ein wenig aufgebracht hatten, schluckte ich jeden weiteren Kommentar letztlich herunter. Ich hatte ja keine andere Wahl. „Gut, ich versuch’s.“, erwiderte ich nach kurzem Nachdenken – wenn auch ziemlich wiederwillig. Neros Mundwinkel zuckten. Anscheinend konnte er sich ein Grinsen nur schwer verkneifen. „Keine Sorge, du wirst das schon schaffen. Sie werden dich wohl ein wenig schief angucken, aber wenn sie erfahren, von wo du herkommst, werden sie dir das bestimmt nicht übel nehmen, sondern ziemlich interessiert sein. Na ja, wie dem auch sei… Wollen wir weiter?“ Ich brachte nur ein leichtes Nicken zustande, denn erneut packte mich die Aufregung. Allerdings war ich auch ziemlich neugierig, denn immerhin besuche ich eine Stadt wie Fortuna nie wieder. Nero ging voran und mit zitternden Knien folgte ich ihm. Nach einer Weile beschleunigte der Silberhaarige seine Schritte. Ich stolperte ein wenig unbeholfen hinter ihm her und fiel dabei fast über die Wurzel eines Baumes, die mitten auf dem Weg aus dem Boden herausragte. Nero drehte sich nicht um, als ich leise fluchend stehen blieb und meine nunmehr noch dreckigeren Schuhe wehleidig betrachtete. „Die bekomme ich doch nie wieder auch nur halbwegs sauber!“, murmelte ich missmutig. Ich grummelte leise und ging weiter. Nach und nach lichteten sich die dicht beieinander stehenden Bäume. Der Halbdämon blieb urplötzlich stehen und winkte mich zu sich heran, der er bereits um einiges Voraus gegangen war. Ich beeilte mich zu ihm zu kommen. Als ich vor ihm stand, bemerkte ich sofort sein leichtes Lächeln, das sich auf seine Lippen gelegt hatte. Mit seiner menschlichen Hand deutete er hinab auf das riesige Tal, welches sich vor uns erstreckte. Meine Augen weiteten sich, als ich meinen Blick über die großen Häuser schweifen ließ. Ihre azurblauen, steinernen Dächer hoben sich deutlich von den weiß angestrichenen Wänden ab. Jedes von ihnen besaß einen kleinen Vorgarten, in dem bunte Blumen und andere, sattgrüne Pflanzen wuchsen. Eine lange, befestigte Straße führte durch die mächtige Stadt, welche bei einem pompösen Gebäude, das anscheinend eine Kapelle sein sollte, endete. Die hohen Türme mit den spitzen, silbernen Dächern streckten sich weit nach oben. Auf dem großen Platz der Kapelle herrschte reges Treiben. Viele Menschen tummelten sich in kleinen Gruppen zusammen, anscheinend redeten sie miteinander. Ich verrenkte meine Augen zu Schlitzen und strengte mich an, sie etwas detailreicher zu betrachten. Alle trugen lange Mäntel in den verschiedensten Farben. Manche hatten die Kapuze ihrer bodenlangen Kutte dabei tief ins Gesicht gezogen, was mich ziemlich verwunderte und zum Nachdenken anregte. War dies etwa eines der Anzeichen von ihrem großen Glauben, wie Nero mir erklärt hatte? Wollten sie damit Demut und Ehrfurcht den anderen – und ihrem Gott – zeigen? Immerhin war es doch ziemlich warm und es regnete nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand freiwillig bei diesem Wetter eine Kapuze trug. Während ich vollkommen verblüfft und sprachlos meinen Blick über die prächtige Stadt schweifen ließ, bemerkte ich erst nach einer Weile, dass Nero mich bereits mehrmals versucht hatte anzusprechen. „Anna? Hey, Anna!“, rief und legte mir seine menschliche Hand auf die Schulter. Erschrocken fuhr ich herum und blickte in seine tiefblauen Augen, die mit der Sonne um die Wette zu leuchten schienen. Er grinste schelmisch und sah mich abwartend an. Ich brachte kaum etwas heraus und hatte Mühe, überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen. Der Anblick der wunderschönen Stadt hatte mich vollkommen überwältigt. „Ist das…?“, presste ich mit heiserer Stimme hervor, doch Nero schien zu verstehen, was ich meinte. „Ja.“, antwortete er und nickte. „Du siehst richtig. Willkommen in Fortuna, Anna.“